auf dem weg zur ethnowaffe
Jan van Aken, Hamburg, Juli 2004

Die Möglichkeit "ethnischer" Waffen ist umstritten. Hat nicht die Genetik gezeigt, dass es keine genetische Grundlage für eine Definition von Rassen gibt? Wird mit der Diskussion über solche Waffen nicht dem Rassismus wieder eine Hintertür geöffnet? Die Befunde der Genetik taugen leider nicht ganz zur political correctness: Es gibt sehr wohl genetische Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen, die sich biotechnisch ausnutzen lassen könnten. Noch ist Zeit, das Gefahrenpotenzial zu erkennen und anzugehen.
Die Umsetzung spezifischer genetischer Sequenzen in einen biologischen Effekt
Ethnisch spezifische Gene?
Potenzieller Einsatz bei ethnischen Dauerkonflikten
Waffeneffekte aus der Zivilforschung

Biologische Waffen, die ausschließlich Menschen einer bestimmten Hautfarbe oder Volkszugehörigkeit treffen, stehen seit langem ganz oben auf der Wunschliste rassistischer Regime. Aus dem Südafrika der Apartheid ist bekannt, dass dort nach Viren gesucht wurde, die ausschließlich Schwarze infizieren und unfruchtbar machen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die Apartheid-Biologen damit Erfolg hatten, denn seinerzeit waren die technischen Voraussetzungen für solche Waffen noch nicht einmal annähernd gegeben. Das allerdings ändert sich jetzt: Im Zeitalter immer neuer genetischer Techniken und genomischer Informationen rückt die Entwicklung ethnisch spezifischer Waffen in den Bereich des Möglichen. Und Kontrollen, die das Verbot der Entwicklung biologischer Waffen international überwachen könnten, existieren bis heute nicht.

Bislang galt die Entwicklung von Ethnowaffen als – theoretisch wie praktisch – unmöglich und wurde in der Regel als Science Fiction abgetan. Vor allem Genetiker haben in der Vergangenheit vehement argumentiert, dass überhaupt keine ethnisch spezifischen Gene existieren würden, die für entsprechende biologische Waffen nutzbar wären. Menschen innerhalb einer Population, so hieß es, seien untereinander viel unterschiedlicher als Menschen zwischen zwei verschiedenen Populationen. Zudem galt es auf der praktischen Seite als äußerst unwahrscheinlich, dass eine genetische Variabilität, so sie denn überhaupt existieren würde, für Waffeneffekte genutzt werden könnte. Beides muss aus heutiger Sicht als überholt gelten.

So gibt es bereits neue Technologien, um spezifische Gensequenzen als Marker oder Auslöser für eine biologische Aktivität zu verwenden. Eine Analyse aktueller Daten des Human Genom Projektes zeigt, dass Hunderte oder gar Tausende von Gensequenzen im menschlichen Genom vorliegen, die als Zielsequenzen für populationsspezifische Waffen dienen könnten (veröffentlicht in der September-2003-Ausgabe von BioMed Central Medical Genetics, www.biomedcentral.com/1471-2350/4/9).

Ethnische Waffen müssen nicht unbedingt eine tödliche Wirkung haben. Sie könnten einen Gegner auch nur vorübergehend außer Gefecht setzen bzw. eine dauerhafte körperliche Schwächung verursachen oder auch sterilisierend wirken. Ihr möglicher Einsatz ist nicht auf klassische Kriege begrenzt, sondern kann vielmehr auch im Rahmen von verdeckten Operationen in lang anhaltenden Konflikten erfolgen, um eine gegnerische Gesellschaft auf Dauer sozial oder ökonomisch zu schwächen.

Die Umsetzung spezifischer genetischer Sequenzen in einen biologischen Effekt

Aus der Sicht der Waffenentwickler wären Technologien optimal, die eine beliebige genetische Sequenz in einen beliebigen biologischen oder Waffeneffekt umsetzen könnten, d.h. wenn die Art des Effektes völlig unabhängig von der jeweiligen Funktion der Gensequenz wäre. Dann könnten sogar Sequenzen in "ruhenden’ Abschnitten der DNA für einen Waffeneffekt genutzt werden. Derartige Technologien stehen – nach unserem Wissen – bislang jedoch noch nicht zur Verfügung.

Es gibt allerdings bereits Techniken, die Gene mit einer spezifischen Sequenz hemmen können. Sie zielen auf die so genannte mRNA, das Molekül, das die genetische Information von der DNA zum Ort der Proteinsynthese innerhalb der Zelle vermittelt. Eine dieser neuen Techniken, die RNA interference (RNAi), basiert auf dem zelleigenen Mechanismus, dass spezifische RNA-Sequenzen abgebaut werden, wenn ein externes RNA-Molekül der gleichen Sequenz in die Zelle eintritt. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die antisense Technologie, bei der die zelleigene mRNA dadurch gehemmt wird, dass von außen ein DNA-Molekül mit spiegelverkehrter (antisense) Sequenz zugeführt wird. Diese Technik wird bereits in der Entwicklung von pharmakologischen Wirkstoffen eingesetzt, unter anderem von der US-Firma Ibis Therapeutics.

Mit beiden Techniken lassen sich Gene mit einer spezifischen Sequenz hemmen. Um diese Techniken für die Entwicklung von Ethnowaffen nutzen zu können, müssten populations- oder ethnospezifische Sequenzen in Genen identifiziert werden, die eine aktive und lebenswichtige Funktion im menschlichen Körper haben.

Ethnisch spezifische Gene?

Die Frage ist, ob überhaupt Gene existieren, die nur in einer Population vorhanden sind, nicht jedoch in anderen Populationen. Viele Humangenetiker betonen, dass , dass 99,9 % der genetischen Bausteine von zwei Menschen identisch sind. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass die verbleibenden 0,1% immerhin noch 3 Millionen "Buchstaben’ im genetischen Alphabet ausmachen. Da es nur einige zehntausend Gene im menschlichen Genom gibt, kann selbst bei einer 99,9 prozentigen Übereinstimmung der Gensequenz von zwei Individuen jedes einzelne Gen einen mehr oder weniger großen Unterschied aufweisen. Ein Teil dieser enormen genetischen Diversität spiegelt sich auch in Unterschieden zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen wider. Diese "genetischen’ Populationen korrespondieren oft auch mit kulturell determinierten ethnischen Gruppen.

In den meisten Fällen wird es sich bei diesen genetischen Unterschieden wohl eher um statistische Variationen handeln: in bestimmten Populationen treten einzelne Genekombinationen häufiger bzw. seltener auf als in anderen. Für eine Entwicklung ethnischer Waffen werden sich solche graduellen Unterschiede jedoch kaum nutzen lassen, denn hier geht es ja gerade darum, eine andere Population zu treffen, ohne die eigenen Leute zu gefährden. Es ist zwar durchaus vorstellbar, dass Diktaturen einen gewisser ‘Kollateralschaden’ in der eigenen Bevölkerung in Kauf nehmen würden, aber eine wirklich ethnisch spezifische Waffe beruht auf Gensequenzen, die gar nicht oder nur zu einem sehr geringen Teil in der Population des Aggressors vorkommen. In der angegriffenen Population müssten wohl mindestens 20% der Bevölkerung die entsprechenden Gensequenzen tragen, um eine militärische Wirkung zu entfalten.

Die einfachste Form von varianten Gensequenzen sind die so genannten SNPs (gesprochen: snips). SNPs steht für single nucleotide polymorphisms, d.h. für Variationen in einzelnen Buchstaben der DNA-Sequenz. In den vergangen Jahren wurden mehrere Millionen SNPs durch verschiedene industrielle oder öffentlich finanzierte Institutionen identifiziert. In einigen Gen-Datenbanken finden sich auch Angaben zur Häufigkeit der SNPs in verschiedenen Populationen. Eine systematische Analyse dieser Datenbanken zeigt, dass tatsächlich eine unerwartet hohe Zahl von SNPs existiert, die in einer Population gar nicht, in anderen jedoch mit einer Häufigkeit von über 20% vorliegen. Eine vorsichtige Hochrechnung ergibt, dass bis zu 15.000 mögliche genetische Zielsequenzen für künftige Ethnowaffen existieren.

Die humangenetische Lehrmeinung, dass Ethnowaffen schon theoretisch gar nicht machbar wären, muss dementsprechend als überholt gelten. Zwar kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgegangen werden, dass ethnische Waffen noch nicht existieren, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die entsprechenden Techniken zur Verfügung stehen – und es spricht heute nichts, wirklich gar nichts dagegen, dass sie dann auch eingesetzt werden.

Weniger attraktiv sind solche Waffen sicherlich für klassische Einwandererländer wie die USA. Denn dort würde immer auch ein Teil der eigenen, multi-ethnischen Bevölkerung Opfer einer Ethnobombe werden (1). Auch wird es in vielen Fällen keine klare genetische Trennlinie geben, die entlang eines schwelenden Konfliktes verläuft. So wurde Ende der 90er Jahre berichtet, dass Israel versuchen würde, eine biologische Waffe gezielt gegen Araber zu entwickeln. Derartige Meldungen waren jedoch vor allem Propaganda. Denn anders als in Südafrika sind im Nahen Osten die Einwohner der verschiedenen Staatsgebiete auf das engste miteinander verwandt. Es ist kaum vorstellbar, dass es signifikante genetische Unterschiede zwischen "Arabern‘ auf der einen Seite und "Israelis‘ auf der anderen Seite gibt.

Potenzieller Einsatz bei ethnischen Dauerkonflikten

Es gibt jedoch verschiedene Beispiele für Dauerkonflikte, in denen zwei Staaten oder Bevölkerungsgruppen über Jahrzehnte hinweg miteinander in einer bewaffneten Auseinandersetzung stehen, die entlang ethnischer Grenzen verläuft. Dazu gehört beispielsweise der Konflikt zwischen Indien und Pakistan oder die Bürgerkriege in Sri Lanka und den Philippinen. Wenn eine der beiden Seiten dann auch noch über die entsprechende Technologiebasis verfügt, wird es wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis tatsächlich erstmals solche ethnisch spezifischen Waffen entwickelt und auch eingesetzt werden.

Eine effektive Kontrolle biologischer Waffen existiert derzeit praktisch nicht. Die internationale Biowaffen-Konvention verbietet zwar die Entwicklung und Produktion jeglicher Biowaffen, die Einhaltung der Konvention wird jedoch nicht durch Inspektionen vor Ort verifiziert. Nachdem im Jahre 2001 jahrelange Verhandlungen für entsprechende Kontrollmaßnahmen am Widerstand der USA kläglich gescheitert sind, wird die Biowaffen-Konvention auch weiterhin ein zahnloser Tiger bleiben.

Andererseits gerät die biomedizinische Grundlagenforschung zur Zeit unter dem Eindruck der Milzbrandattacken des Jahres 2001 zunehmend unter Druck, einen militärischen Missbrauch ihrer Erkenntnisse zu verhindern. Sowhl die Akademie der Wissenschaften in den USA als auch die britische Royal Society haben in den vergangenen Monaten dazu Vorschläge vorgelegt, die im Kern auf eine Selbstregulierung der Wissenschaft hinauslaufen: Als besonders brisant erscheinende Experimente sollen vorab von einem Wissenschaftlerzirkel auf mögliche Missbrauchsmöglichkeiten abgeklopft werden. Für den Bereich der Ethnowaffen könnte dies bedeuten, die Erhebung ethnisch spezifischer genetische Daten auf ein absolutes Minimum zu begrenzen.

Waffeneffekte aus der Zivilforschung

Tatsächlich sind wir heute jedoch mit einer gegenläufigen Entwicklung konfrontiert. In verschiedenen Bereichen werden zur Zeit umfangreiche genetische Daten von verschiedenen Bevölkerungsgruppen analysiert und gesammelt. So gibt es in der forensischen Genetik zunehmend den Versuch, anhand einer genetischen Tatort-Probe die ethnische Zugehörigkeit des Täters zu ermitteln.

Vor allem die so genannte Pharmakogenetik könnte sich als Fundgrube für künftige Biowaffen-Konstrukteure erweisen: Zunehmend werden klinische Studien an Genen durchgeführt, die möglicherweise einen Einfluss auf die (Neben-)Wirkung von Medikamenten haben. Da Medikamente in der Regel auf eine weltweite Vermarktung abzielen, werden in vielen dieser Studien im großen Maßstab ethnisch spezifische genetische Daten erhoben. Die Pharmakogenetik ist insofern ein besonders heikles Feld, als dass hier vor allem solche Gene untersucht werden, die eine Rolle im Stoffwechel von Medikamenten – und anderen Giftstoffen – spielen und deshalb möglicherweise besonders leicht als Auslöser für einen biologischen (Waffen-)Effekt benutzt werden könnten.

Auch in der Grundlagenforschung fallen umfangreiche ethnisch spezifische Gendaten an. So wurde im Oktober 2002 ein internationales Projekt zur Kartierung von so genannten Haplotypen im menschlichen Genom initiiert. Das 100 Millionen US-Dollar schwere so genannte HapMap Projekt wird von öffentlichen und privatwirtschaftlichen Institutionen getragen (hapmap.cshl.org). Im Rahmen des Projektes wird die genetische Variation von vier Populationen untersucht: Han-Chinesen, Japaner, Yorubas in Nigeria und US-Bürger europäischer Abstammung. Es kann davon ausgegangen werden, dass das HapMap Projekt umfangreiche genetische Marker generieren wird, die für jede der vier Populationen spezifisch sind.

Für den möglichen militärischen Missbrauch solcher Projekte gibt es bislang praktisch kein Bewusstsein unter den beteiligten Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen. Dabei stehen Gentechnik, Genomik und Biotechnologie heute noch ganz am Anfang einer Entwicklung, deren Zukunft wir uns heute kaum ausmalen können. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten werden immer neue Techniken mit immer neuen militärischen Missbrauchspotenzialen auf uns zu kommen. Sehr wahrscheinlich werden dann die klassischen Biowaffen-Erregern nur noch eine marginale Rolle spielen. Sehr viel bedrohlicher werden Ethnobomben, psychoaktive Drogen und andere neuartige Waffensysteme sein, die spezifisch auf die zunehmend diversen Konfliktformen zugeschnitten sein werden.


Anmerkung:
(1)In diesem Programm wurde das Genom von insgesamt 102 Individuen untersucht, die nach eigenen Angaben folgender Abstammung waren: Afro-Amerikaner (24 Individuen), Kaukasier (31), Hispanics (23), Pazifik (pacific rim, 24). In dieser Datenbank haben wir 193 zufällig ausgewählte SNPs (alle validierten SNPs in den Chromosomen 6 und 10) analysiert. Insgesamt zeigten davon 24 SNPs (12%) eine Frequenz von 0% in einer Population und 10% in einer anderen Population. Drei davon (1,6%) hatten eine Frequenz von 20% in einer Population (snp500cancer.nci.nih.gov/snplist.cfm).
Die SNP500Cancer Database basiert auf 23-31 Individuen je Bevölkerungsgruppe; die Zahlen in der TSC-Datenbank basieren auf verschiedenen Untersuchungsgruppen, von denen die meisten zwischen 12 und 42 Individuen je Population umfassen; Stephens et al. (2001) haben in jeder Gruppe 18-21 Individuen erfasst.
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Jan van Aken ist promovierter Zellbiologe und Mitarbeiter des Sunshine Project (Standorte: Hamburg und Austin/Texas), das die Entwicklung von Biowaffen dokumentiert und kritisch begleitet.
Wir danken ihm für die Überlassung des Textes.

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