warum das web mich besser kennt als ich das web Jens Uehlecke, Hamburg, März 2001
Über Personalisierung, Cookies und Datenschnüffler
Der Amazon-CD-Shop (www.amazon.de) im Internet scheint mich schon ewig
zu kennen. ÑGuten Tag, Jens Uehleckeì grüßt er mich ganz
freundschaftlich und bietet mir sogar ein paar Ñpersönliche
Empfehlungenì für den Bücherbummel per Mausklick an. Und die passen wie
die sprichwörtliche Faust aufs Auge - ein Mausklick genügt und es
erscheint eine ganze Reihe von CD-Titeln, die entweder schon längst in
meinem Regal stehen oder zumindest eine Hörprobe wert wären. Doch nicht
nur Amazon weiß, was mir gefällt. Auch Microsofts Leitseite MSN.de
(www.msn.de) versorgt mich seit einiger Zeit nur noch mit News à la
carte. Wirtschafts- und Medienmeldungen sind irgendwann nach oben
gerückt und die verhassten Sportmeldungen sind auf Nimmerwiedersehen
verschwunden! Zusätzlich gibtís noch das Wetter aus Berlin und Hamburg ñ
aus den beiden Städten, in denen ich mich meistens aufhalte. Und
schließlich verrät mir die Seite sogar noch, wer von meinen Freunden
gerade online ist und wie viele Mails bei hauseigenen Mail-Provider
Hotmail auf mich warten. Kurz: Das Web kennt mich besser als ich das
Web. Woher kommt das?
Personalisierung heißt die Zauberformel, die bei vielen professionellen
Angeboten im Netz der Netze schon längst selbstverständlich ist. Vor
allem Online-Shops und große Portale passen ihre Internet-Auftritte an
die individuellen Vorlieben und Wünsche ihrer Besucher an. Zum einen,
weil Navigation und Bedienung mit persönlicher Note wesentlich
komfortabler sind. Zum anderen, weil die Site-Betreiber ihren Kunden auf
diese Weise maßgeschneiderte Produkte und Informationen bieten können.
Schließlich gilt: Je wohler sich die Internet-Surfer auf einer Seite
fühlen, desto länger bleiben sie und desto höher fallen die
Werbeeinnahmen aus.
Schauen wir uns das Beispiel Amazon doch noch einmal etwas genauer an:
Bei dem Büchershop dient die Personalisierung ñ wie beschrieben - vor
allem einer effektiveren Online-Beratung: Während der jeweils ersten
Bestellung legt der Internet-Buchhändler in seiner Datenbank ein
Kundenprofil an, dem er von da an jede individuelle Order zuordnet. Mit
Hilfe aller auf diese Weise gewonnener Profile ermittelt er regelmäßig
aussagekräftige Muster innerhalb der Käuferschaft, etwa: Wer die
Reclam-Ausgabe von Goethes ÑFaustì kauft, bestellt später oft auch ñ man
glaubt es kaum ñ die neue CD von den Ärzten. Dank eines Abgleichs dieser
Muster mit dem persönlichen Profil können sich Stammkunden dann speziell
auf sie zugeschnittene Buchtipps anzeigen lassen. Je mehr sie zuvor
bestellt haben, desto genauer die individuellen Empfehlungen.
Ein Blick unter die Motorhaube des Webs macht deutlich, wieís
funktioniert. Um ihre Kunden wieder zu erkennen, setzen Amazon & Co so
genannte Cookies, zu deutsch ÑKekseì, ein. Das sind kleine
Informationshäppchen, die alle aufgerufenen Internet-Seiten mit Hilfe
des lokalen Browsers auf der Festplatte ihrer Nutzer speichern dürfen
(der Internet-Explorer legt je eine Datei pro Cookie im Verzeichnis
/cookies an, der Netscape Navigator sammelt alle Kekse im File
cookies.txt). Die Füllung der digitalen Leckereien variiert: Auf jeden
Fall enthält sie die Internet-Adresse des Bäckers, die so genannte
Server-URL, sowie ein Verfallsdatum. Darüber hinaus kann sie jede
beliebige Zutat beinhalten - bei Amazon.de zum Beispiel die Kennung des
persönlichen Profils. Was genau ein Cookie zu einer Seite enthält, kann
man überprüfen, wenn man in der Adressleiste des Browsers den Befehl
ÑJavaScript: alert(document.cookie)ì eingibt. Klickt sich der
Amazon.de-Kunde nun zum x-ten Mal auf die Seite des Buchhändlers,
überträgt sein Browser automatisch den passenden Info-Happen auf der
Festplatte. Der Server identifiziert den Surfer, sagt brav ÑGuten Tagì
und gibt die individuelle Lesetipps.
Eigentlich eine praktische Sache. Wer regelmäßig in der Buchhandlung an
der Ecke schmökert, kennt das Prinzip schon aus dem Offline-Leben.
Spätestens nach ein paar Wochen beginnt der Verkäufer, namentlich zu
grüßen und sich an die individuellen Leservorlieben zu erinnern. Und
wahrscheinlich gelingt es ihm auch irgendwann, passende Schmöker zu
empfehlen.
Also kein Unterschied? Doch, denn Cookies können auch einige
unappetitliche Folgen haben! Zwar übertragen sie weder ñ wie oft
behauptet ñ Viren, noch können sie Festplatten ausspähen. Trotzdem
lassen sie sich zu einigem Unfug missbrauchen. Zum Beispiel setzte der
amerikanische Mutterkonzern von Amazon.de - Amazon.com ñ die virtuellen
Duftmarken im letzten Jahr auch ein, um individuelle Preise festzulegen.
Neukunden ñ also Site-Besucher ohne Cookies ñ bekamen satte Rabatte. Mal
waren es fünf, mal zehn Dollar ñ die Logik: Stammkunden müssen nicht
mehr vom Online-Buchhandel überzeugt werden und zahlen deshalb
wahrscheinlich ohne zu murren Ladenpreise. Damit nicht genug: Neben den
Cookies wertete Amazon.com Daten aus, die viele Browser ungefragt an die
von ihnen besuchten Webseiten verschicken, darunter Programm-Version,
Sprache und IP-Adresse des Nutzers. Wer mit einem Netscape Navigator bei
Amazon.com shoppen wollte, bekam daraufhin andere Angebote als Nutzer
des Konkurrenzprodukts Microsoft Internet Explorer. Für die DVD ÑPlanet
der Affenì zum Beispiel sollten Anhänger des Bill-Gates-Browsers etwa
zehn Dollar mehr berappen. Als dieses Vorgehen aufflog und von
Verbraucherschützern kritisiert wurde, rechtfertigte es Amazon.com als
ÑMarketing Fine-Tuningì. Als dann aber auch noch die Kundschaft auf die
Barrikaden ging und lauthals gegen die suspekte Preispolitik
protestierte, entschuldigte sich das Unternehmen und versprach, von
derartige Personalisierungen künftig zu die Finger zu lassen.
Noch nicht vom Tisch ist dagegen der Fall Doubleclick.net. Der weltweit
operierende und an der amerikanischen High-Tech-Börse notierte Konzern
aus den Vereinigten Staaten vermarktet Bannerwerbeplätze bei namhaften
Webangeboten wie etwa Handelsblatt.com, Time.com oder Macromedia.com.
Weil sich aber mit individuell zugeschnittener Werbung weitaus mehr Geld
verdienen lässt als mit Standard-Bannern, haben sich die Amerikaner
etwas Besonderes einfallen lassen: Sie setzen die Keks-Technologie ein,
um Informationen über Internet-Surfer aus aller Welt anzuhäufen. Und das
macht nicht einmal viel Mühe: Die Seiten von Doubleclick-Werbepartnern
enthalten allesamt ein oder mehrere Werbebanner. Diese sind allerdings
nicht lokal auf dem jeweiligen Server, sondern zentral bei dem
Werberiesen gespeichert. Deshalb wird der eigene Browser, wenn man etwa
die Web-Seite Time.com aufruft, angewiesen, eine Doubleclick.net-Adresse
zu kontaktieren und sich von dort die Banner herunterzuladen. Leider
bleicht es dabei nicht: Erstkontakte dieser Art nutzt Doubleclick, um
seinen Kunden gleichzeitig ein Cookie mit individueller ID
unterzujubeln. Dieses wird von da an jedes Mal mitgeschickt, wenn der
Nutzer die Seiten eines Doubleclick-Partners besucht und Banner bei dem
zentralen Server anfordert. Auf diese Weise erhält das Unternehmen im
Laufe der Zeit ein recht umfassenden Überblick über das Surfverhalten
beliebiger Internet-Nutzer. Es merkt sich, welche Sites sie regelmäßig
besuchen und welche nicht ñ und richtet seine Werbebotschaften
entsprechend aus. Wer sich zum Beispiel häufig auf Börsen- und
Finanzseiten tummelt, gibt ein wunderbares Ziel für Mercedes-Werbung ab,
nicht aber für Vespa-Anzeigen.
Damit nicht genug: Für Doubleclick wäre es wahrscheinlich ein Leichtes,
die gesammelten Surfer-Profile auch noch mit den Offline-Identitäten zu
verknüpfen. Etwas ähnliches hat der Bannervermarkter schon einmal
versucht: Nach der Übernahme des Marktforschungsinstituts Abacus
kündigte er an, die Offline-Daten vieler US-Bürger mit den gesammelten
Online-Profilen verschmelzen zu wollen. Doch als US-Datenschützer ñ die
bekanntermaßen als äußerst tolerant gelten - klagten, gab der Konzern
sein Vorhaben schließlich auf. Nach herber öffentlicher Kritik blies
Firmenchef Keven OíConnor sogar zum Rückzug und ließ öffentlich
verlauten, man habe einen Fehler gemacht. Dennoch ist die Gefahr nicht
gebannt. Erst wenn es zu einer Einigung mit Regierung und Industrie
käme, will OíConnor seine Pläne wieder aus der Schublade holen.
Das wirft die Frage auf, wie man sich gegen Cookies schützen kann. Dass
Amazon mir ein paar gute Tipps gibt, stört mich nicht, dass Doubleklick
jeden meiner Doppelklicks auswertet, soch. Das einfachste wäre
sicherlich, den Internet-Browser anzuweisen, grundsätzlich keine Cookies
mehr zu akzeptieren. (beim Internet-Explorer:
Extras/Internet-Optionen/Sicherheit) Eine wirkliche Lösung ist das aber
nicht. Vor allem, weil Cookies für das Funktionieren vieler
Internet-Seiten lebenswichtig sind - etwa für das Erstellen von
Warenkörben in Online-Shops oder für Banking- und Freemail-Anwendungen.
Eine galantere Lösung sind Hilfsprogramme wie ÑWebwasherì.
(www.webwasher.de). Das kostenlose Programm, dessen ursprüngliche
Aufgabe es war, Internet-Surfer von lästigen Werbebannern zu befreien,
hilft auch dabei, sich nicht den Magen an der Keksflut zu verderben. Es
lässt sich zum Beispiel so konfigurieren, dass es nur noch Cookies von
Servern akzeptiert, die der User explizit aufgerufen hat, nicht aber von
automatisch mitgeladenen Seiten. Alternativ kann man auch einstellen,
dass keine Cookies von Domains mehr gespeichert werden, die
Schlüsselworte wie ÑWerbungì, Ñdoubleclickì oder Ñadsì enthalten.
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