all we read is internet gaga
Franz Công Bùi, Frankfurt, September 2005

Eine kurze praktische Kritik am Online-Journalismus.

Über “Politikverdrossenheit”, Pisa-Studien oder den allgemeinen Werteverfall braucht man sich nicht zu wundern, wenn man mal genauer in Augenschein nimmt, was einem so an “relevanten” Nachrichten präsentiert.

Als Beispiel muss diesmal die Startseite von Web.de herhalten, auf der vorhin Folgendes zu finden war:



Bei den ersten beiden Themen konzediere ich, dass sie noch als Top-News durchgehen mögen, wenngleich die zugehörigen Überschriften weder besonders zum Weiterlesen einladen noch die Vermutung gestatten, dass man dann angemessen tiefgründig informiert wird.

Indes sollte man bereits beim Sujet Maybach meinen, dass es auch an diesem Tage Meldungen gab, die für das Leben der Allgemeinheit sowie unsere Zivilgesellschaft als solche schlechthin eine größere Relevanz besitzen (Islam-Konferenz, Gesundheitsreform, Naher Osten, Biblis A … Ring a bell, anyone?).

Doch die Überschrift zu Beyoncé treibt das Unverständnis auf die Spitze, because it is just bad on so many levels.

Mal abgesehen davon, dass beispielsweise selbst die Nachricht ihres vorzeitigen Ablebens (das ihr nicht gewünscht sei) in keiner vernünftigen Welt zur Top-News werden dürfte, spricht alleine schon der Stil der Überschrift jeglichen journalistischen Prinzipien Hohn: Ein Imperfekt in einer Formulierung, die nur mit Mühe und Not gerade noch zum Leadsatz gereicht hätte; und dann noch das allzu offensichtliche Buhlen um das Anklicken eines unbescholtenen Lesers, der nicht anders kann, als sich zu fragen: “Sie stand bei Destiny’s Child im Vordergrund, aber was ist nun?”.

Immerhin findet sich kein Rechtschreibfehler, bei acht Worten wäre das aber auch wirklich zu viel des Guten gewesen.

Natürlich ist mir bewusst, dass auch Nachrichten im Kapitalismus dem Nachfrage-Prinzip unterworfen sind und dass man somit den Bedürfnissen seiner Leserschaft ein wenig entgegenkommen muss. Das bedeutet aber nicht, dass man nicht durch das Platzieren von Nachrichten und das Setzen von Themen ein wenig Einfluss darauf nehmen darf, was von den Rezipienten in unserer Mediengesellschaft samt ihrer Aufmerksamkeitsökonomie wahr- und für wichtig genommen wird.

Mir ist zudem klar, dass Web.de die Nachrichten von Agenturen zugeliefert bekommt, und dass diese News wahrscheinlich per Daten-Feed automatisiert reinlaufen, geordnet und platziert werden. Aber wenn man als Portal jenseits der Klingelton-Generation ernst- und wahrgenommen werden möchte, sollte man vielleicht auch mal darauf achten, wie die eigene Startseite mitunter so entstellt wird.

Als ich dann recherchieren wollte, von welcher Agentur diese “News” nun eigentlich stammten, gab ich umgehend wieder auf und dachte: “Was soll’s?”. Denn beim Browsen durch das reichhaltige Web.de-Informationsangebot stellte ich fest, dass irgend ein “Channel-” oder “Content Manager” die glorreiche Idee hatte, einen eigenen Bereich für “Unglücke” einzurichten - something which I do not find entirely in good taste:



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