die grauen herren
des kapitals

Robert von Heusinger, Frankfurt, März 2003

Der Staat versteht nichts von Ökonomie? Die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau zeigt Geschäftsbanken, was eine Harke ist

Feiner geht's nicht: High Tea in einem der elegantesten Londoner Luxushotels, dem Berkley, direkt am Hyde Park. Kellner mit weißen Handschuhen servieren in einem kleinen Speisesaal Sandwiches, Scones und Petit Fours. Eingeladen hat keine urbritische Institution, sondern eine typisch deutsche: die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), Deutschlands neuntgrößte Bank. Es ist ihre erste Pressekonferenz am weltweiten Finanzlatz Nummer eins. Und alle einschlägigen Finanzblätter haben ihre Journalisten geschickt. Denn die KfW ist nicht irgendwer am internationalen Finanzmarkt. Allein im vergangenen Jahr konnte sie sich dort mehr als 50 Milliarden Euro leihen. In Euroland gibt es nur drei Schuldner, die den Anleihemarkt stärker in Anspruch genommen haben. Es sind allesamt Staaten: Italien, Deutschland und Frankreich. Zum Vergleich: Die Deutsche Bank sammelte nicht einmal ein Fünftel der KfW-Summe ein. In London sitzen die großen Geldmanager. Sie gilt es zu umwerben, zu umgarnen. Die KfW ist die feinste deutsche Adresse am internationalen Kapitalmarkt. Keine andere Bank in Europa kann sich zu besseren Konditionen Geld besorgen, keine andere Bank ist in den vergangenen Jahren derart mit Preisen überhäuft worden: Für die innovativste, schönste, oder mutigste Kapitalmarkttransaktion.

Ist das die selbe Bank, die nach der Pfeife des Finanzministers tanzt? Die Staatsbank? Ja. Es ist die Bank, die immer dann einspringen soll, wenn die Regierung händeringend Geld braucht. So eine Woche vor der Bundestagswahl, als Mobilcom, das Mobilfunkunternehmen aus dem Norden, kurz vor der Pleite stand. Oder wenn Finanzminister Hans Eichel Haushaltslöcher stopfen muss und kurzerhand Aktienpakete der Telekom und Post an die Staatsbanker verkauft. Oder als ein Kreditprogramm für die Flutopfer aufgelegt werden sollte. Immer dann klingelt das Telefon bei Hans Reich, dem Vorstandschef der KfW. Immer dann übt Reich den Spagat zwischen Staat und Markt. Den Wünschen der Politiker und Eigentümer entgegenkommen, aber mit Lösungen, die "bankmäßig zu vertreten und marktkonform sind". "Berater der Regierung" gefällt ihm besser als die Bezeichnung "Mädchen für alles".

Da steht er nun vor den Fachjournalisten und erklärt die Bank, ihre Philosophie und Pläne, ja er doziert fast. Nichts an seinem Erscheinungsbild und Habitus erinnert auch nur im Entferntesten an Innovation und Modernität - beides Worte, die im Zusammenhang mit seiner Bank immer wieder fallen. Er verkörpert vielmehr den klassischen deutschen Banker, konservativ und grau. Kein Schick und auch nichts Schrilles, wie es die Starbanker auf der Insel bisweilen pflegen. Reichs Markenzeichen sind die goldgeränderte Brille und der leicht griesgrämige Blick. Auch sein Englisch ist nicht geschliffen und akzentfrei, wie es sich inzwischen für einen Banker geziemt, der an den globalen Märkten zu hause ist. Doch das stört die anwesenden Journalisten nicht. Lauschen sie doch dem Chef der Bank, die an den Anleihemärkten immer wieder den Vorreiter spielt.

Die KfW ist keine Bank im herkömmlichen Sinne. Wer nicht schon selbst ein Haus gebaut hat oder selbstständig ist, dürfte mit ihr kaum in Berührung gekommen sein. Sie besitzt keine Filialen und kein Privatmann oder Unternehmer kann bei ihr ein Konto eröffnen, einen Kredit beantragen. Sie ist der Mittler zwischen den Geschäftsbaken und ihren Kunden auf der einen Seite und dem Finanzmarkt und der Politik auf der anderen. Sie ist die Förderbank des Bundes, und lenkt über Zinssubventionen Investitionen in den Umweltschutz, den privaten Wohnungsbaus oder in die Strukturpolitik. Das Spiel läuft so: Die KfW besorgt sich billigen Kredit an den internationalen Kapitalmärkten und gibt diese Konditionen in ihren 16 Förderprogramme über die Geschäftsbanken weiter. Die Hausbank stellt den Förderantrag, bewertet die Kreditwürdigkeit des Kunden und trägt zu großen Teilen das Kreditrisiko.

Damit erfüllt sie genau die Aufgabe, die ihrem geistigen Vater vorschwebte. Der Brite Sir Eric Coats warb im Juli 1947 für eine zentrale Förderbank für den Wiederaufbau und überzeugte schließlich sein amerikanisches Pendant Jack Bennett. Das Institut sollte sich seine Finanzierungsmittel auf dem deutschen Kapitalmarkt beschaffen, was allerdings aufgrund des nicht vorhandenen Kapitalmarktes in den ersten Jahren schlicht unmöglich war. Erst auf Drängen der Deutschen erhielt die KfW schließlich 1950 die Mittel aus dem Marshallplan zur Refinanzierungen ihrer Aufgaben - Mittel, die sie bis heute noch verwendet.

"Geht nicht, gibt's bei der KfW nicht", lobt Ralf Buschmann von der Deutschen Bank die kreative Einstellung der KfW-Banker. Er betreut seit Jahren die Mittelbeschaffung der KfW. Braucht sie Geld und muss eine neue Anleihe begeben, bedient sie sich der Ratschläge der Investmentbanker, wo und wie gerade die niedrigsten Zinsen zu erzielen sind. "Wenn wir Ideen haben, zeigen wir sie zuerst der KfW", sagt Buschmann. Den wohl größten Erfolg im vergangenen Jahr erzielte die Staatsbank auf dem amerikanischen Bondmarkt. Dort gelang es ihr, weniger Zinsen zu zahlen als ihre direkte US-Konkurrenz. Einen "historischen Moment" nennt Frank Czichowsi, Direktor Kapitalmärkte, diesen Triumph auf dem Heimatmarkt der quasistaatlichen US-Emittenten Faennie Mae und Freddie Mac. "So nutzen wir die ausländischen Märkte, um dem Mittelstand in Deutschland günstigere Kreditbedingungen zu verschaffen", sagt Czichowski nicht ohne Stolz.

Auch wenn die Mittelaufnahme die KfW berühmt gemacht hat, es ist nicht die einzige Abteilung im Haus, die für Furore sorgt. Eine andere ist die Verbriefung - der letzte Schrei im deutschen Bankenwesen. Banken gliedern Kredite an Unternehmen aus ihrer Bilanz aus, fassen sie in Portfolios zusammen und verkaufen diese dann wieder auf dem Kapitalmarkt an Versicherer und Fondsgesellschaften. Damit verschwinden die Kreditrisiken aus der Bilanz und die Bank hat wieder Luft, neue Kredite zu vergeben, oder ihr Eigenkapital zu entlasten. Inzwischen zeichnen die KfW-Programme für die Hälfte des deutschen Verbriefungsmarktes verantwortlich. "Sie hat den Weg bereitet und zieht die anderen Banken mit", sagt Stephan Paul, Professor für Kreditwirtschaft an der Uni Bochum. Warum sind die vielen Geschäftsbanken nicht von sich aus auf die Verbriefung gekommen? Was hat die KfW, was die anderen Banken nicht haben?

"Mehr Zeit zum Nachdenken", glaubt Martin Ziese, Leiter ABS/Verbriefung bei der DZ Bank. "Die Hektik und der Druck Gewinne zu erwirtschaften sind deutlich geringer als bei einer Geschäftsbank." Doch den Vorwurf, dass die anderen Banken einfallslos seien, will er nicht auf sich sitzen lassen. "Verbriefen können wir auch." Der Vorteil der KfW sei ihre über alles erhabene Bonität, die die Zusammenarbeit mit ihr einfach lukrativ macht. Das Geheimnis ihres Erfolges erklären drei Buchstaben: AAA. Die KfW besitzt eine Garantie des Bundes. Sie kann nicht bankrott gehen. Deshalb kommt sie in den Genuss der höchsten Bonitätsnote, ist genauso kreditwürdig wie die Bundesrepublik. Diese Sicherheit kommt überall auf der Welt an, dieser Sicherheit verdankt sie ihren exzellenten Ruf.

Beides, ihren Ruf und ihre Ideen, will die KfW in den nächsten Jahren vor allem einer Zielgruppe zu Gute kommen lassen: dem Mittelstand. Seit feststeht, dass die zweite Förderbank des Bundes, die Deutsche Ausgleichbank (DtA) in die KfW eingegliedert wird, proklamiert Reich die "Mittelstandsbank" und hat großes mit ihr vor. Den Namen hat er sich bereits schützen lassen. Und Reich weiß, wie er einen Geschäftsbereich in Schwung bringen kann. Das hat er schon bewiesen. Er hält sich selbst zu Gute, dass er der erste KfW-Chef ist, der vom Markt her denkt und nicht vom der Förderung. Seine Meriten verdiente er sich in der Export- und Projektfinanzierung, wo er die KfW als Global Player positionierte. So erfolgreich, dass die Bank das Geschäftsfeld bis 2007 ausgliedern muss und unter gleichen Bedingungen wie die Geschäftsbanken betreiben muss. So will es die EU-Kommission. In diesem Geschäftsfeld sei keinerlei Förderauftrag mehr zu erkennen, verlautete aus Brüssel. Doch beim Thema Mittelsstand rennt Reich offene Türen ein, vor allem in Deutschland. Die Regierung lanciert eine Mittelstandsoffensive nach der anderen. Da kommt ihnen die Priorität der Staatsbanker gerade recht.

Denn der Mittelstand leidet derzeit am stärksten unter der Bankenkrise in Deutschland. Die Institute scheuen das Risiko, neue Kredite an die mittelständische Klientel zu vergeben. Und wenn doch Kredite vergeben werden, dann zu deutlich höheren Zinsen, da die Unternehmenszusammenbrüche Jahr für Jahr ansteigen, die Banken immer öfter ihre Kredite abschreiben müssen. Dieser Teufelskreis ist fatal, da der Mittelstand in keinem anderen Land eine solche volkswirtschaftliche Bedeutung hat. Auf ihn entfallen knapp 50 Prozent der Wirtschaftsleistung und 70 Prozent der Beschäftigten.

Aber nicht nur das Arbeitsplatzargument rechtfertigt die Förderung des Mittelstandes. Auch ordnungspolitisch spricht einiges dafür: Der freie Wettbewerb drängt die Unternehmen, sich zu stets größeren Einheiten, zu Konzernen, zusammenzuschließen. Um den Wettbewerb lebendig zu halten, muss es deshalb immer wieder kleine Unternehmen geben, die gegen die Trägheit und Macht der Großen ankämpfen. Deshalb versucht die KfW schon heute mit Zinssubventionen den Nachteil des Mittelstandes wett zu machen. Denn je kleiner das Kreditvolumen, desto höher die Kosten der Vergabe, fällt doch die Prüfung der Bonität bei 100.000 Euro ebenso an wie bei 100 Millionen. Nach Berechnungen der KfW zahlen Kleinstunternehmen (Jahresumsatz bis 1 Million Euro) knapp 3 Prozent Zinsen gemessen am Umsatz, wohingegen große Firmen (ab 250 Millionen) nur noch etwas mehr als 1 Prozent vom Umsatz berappen müssen.

Doch seit Reich die Mittelstandsfinanzierung zum Wachstumsmotor seiner Bank erklärt hat, mehren sich die kritischen Stimmen, vor allem bei den Sparkassen, den traditionellen Finanziers der Bäcker, Metzger und Frisöre. Sie befürchten eine Abkehr von der Konzentration auf ganz kleine Unternehmen und Wettbewerbsverzerrungen im Kampf um lukrative Großkredite. Denn nur wenn die KfW den großen Mittelstand im Visier hat, kann sie kräftig wachsen. Bislang gehen noch rund 90 Prozent der Förderkredite an Firmen mit einem Umsatz von bis zu fünf Millionen Euro. Ein Dschungel an Bestimmungen regelt die Förderwürdigkeit der Unternehmen, damit die privilegierte Staatsbank nicht zu stark in den Bankenwettbewerb eingreift. So ist die Kredithöhe meist auf 5 Millionen Euro begrenzt. Und: Es werden nur Fördermittel zur Investitions- und Innovationsfinazierung herausgereicht.

Ein erstes Indiz für ihre Befürchtungen haben die Sparkassen schon gefunden: Die neuen Globaldarlehen für den Mittelstand. Dieses ebenfalls als Innovation verkauftes Instrument räumt Banken große Kredittranchen bei der KfW ein, aus der sie flexibler Kredite an Unternehmen vergeben können. Der Haken aus Sicht der Sparkassen: Nur der Zweck nicht aber die Höhe des Kredites ist festgelegt. Und da alle Unternehmen bis 500 Millionen Euro Jahresumsatz grundsätzlich förderwürdig sind, können via Globaldarlehen 99 Prozent aller deutschen Unternehmen unbegrenzt in den Genuss der neuen Kredite kommen. Solche Freiheiten hatte die KfW noch nie.

Dabei genießt sie schon qua Statut erhebliche Freiheiten. Sie muss weder Steuern zahlen noch dem Finanzminister eine Dividende ausschütten. Die Gewinne werden in der Förderung eingesetzt und dem Eigenkapital zugeführt. Denn auch bei ihr begrenzt die Höhe des Eigenkapitals das Kreditvolumen. Will sie wachsen, muss sie Jahr für Jahr erfolgreich agieren.

Der Drang, Gewinne zu erwirtschaften, erklärt den Widerstand der KfW-Führung, wenn die Minister sie aus politischen Gründen ins Risiko schicken wollen. Gutes Geld schlechtem hinterher werfen kann sich auch die Staatsbank nicht erlauben. Im Balanceakt zwischen Staat und Markt erinnert sie an die Bundesbank, die auch immer wieder mit den Politikern Schlachten geschlagen hat, um ihre Unabhängigkeit zu festigen. Es müssen Präzedenzfälle her, je mehr, desto besser. Ein solcher war der Kredit an Mobilcom. Drei Tage lang wehrte sich Reich gegen das Ansinnen des Ex-Wirtschaftsministers Müller, dem fast bankrotten Unternehmen einen unbesicherten Kredit zu geben. Nur gegen eine Staatsbürgschaft, lautete seine Forderung. Am Ende gewann die KfW. Einen Kredit mit Staatsbürgschaft vergibt jede Bank, da nichts schief gehen kann - der Steuerzahler haftet. Ähnlich gewieft verhandelte die KfW den Kauf von Telekom- und Postaktien. Sie erfand ein Modell, das sie zur reinen Parkstation für die Aktien des Bundes werden ließ. Werden die Aktien eines Tages am Markt zu einem schlechteren Kurs verkauft, als sie in den Büchern der KfW stehen, trägt der Staat den Verlust. Ohne diese Konstruktion müsste die KfW heute auf ihre Aktienpakete 1,2 Milliarden Euro abschreiben. Ihre gute Verhandlungsposition gegenüber der Regierung erklärt sich aber auch aus der geringeren Abhängigkeit von Finanzminister. Kamen Anfang der 80er Jahre noch mehr als der Hälfte aller Mittel aus dem Bundeshaushalt, sind es heute weniger als zehn Prozent, die vor allem für Kredite an Entwicklungsländer eingesetzt werden. Den Rest besorgt sich die KfW an den Kapitalmärkten. Und auf die Frage wem er sich mehr verantwortlich fühle, dem Finanzminister oder dem Kapitalmarkt antwortet Reich schlagfertig: "Herr Eichel kann mir keine 50 Milliarden Euro geben."

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