verschuldungskrise, entwicklungshilfe und entwicklungstheorie
Robert von Heusinger, Saarbrücken, November 1993

Im folgenden werden die Fakten und das Ausmaß der Verschuldung der sogenannten Dritten Welt dargelegt. Anschließend wird auf die Ursachen eingegangen und ein alternativer Entwicklungsansatz vorgestellt:
1 Die Verschuldungskrise
2 Kritisches zur Entwicklungshilfe
3 Die Entwicklungstheorie der Berliner Schule



1 Die Verschuldungskrise

1.1 Die Verschuldung der Entwicklungsländer

Die externe Verschuldung der Entwicklungsländer belief sich 1991 auf 1 300 Milliarden Dollar. Allein zwischen 1971 und 1987 verzwölfachte sich der Schuldenberg. Das "brutale" Resultat der immensen Verschuldung ist ein Nettokapitalzufluß von ca. 250 Milliarden Dollar zwischen 1983 und 1991 aus den ärmsten Staaten der Welt an die Industrienationen, überwiegend aus Zinszahlungen resultierend. Das heißt, die Entwicklungsländer zahlen mehr zurück als sie über neue Kredite und Entwicklungshilfe von den reichen Staaten bekommen. Eine verrückte Welt wie Le Monde Diplomatique meint, die Ärmsten zahlen die Entwicklung und das Wachstum der Reichen.

Hinsichtlich der Verschuldungssituation gibt es unter den Ländergruppen erhebliche Unterschiede. 1987 entfielen rund 40% der Schulden auf die Länder Süd- und Mittelamerikas, 17% auf Afrika und 29% auf die Länder Süd- und Südostasiens. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten sind noch erheblich größer als zwischen den Weltregionen. Brasilien und Mexiko vereinten 1985 mehr als 20% der Gesamtschulden auf sich. Zu berücksichtigen sind allerdings nicht nur die absoluten Zahlen, das relative Verhältnis zwischen Verschuldung und Bruttosozialprodukt ist entscheidender. Hier liegen meist kleine Staaten mit absolut zu vernachlässigenden Schulden ganz weit oben auf der Liste der abhängigen Länder.

1.2 Die Ursachen der Verschuldung

Grob vereinfacht kann der Verschuldungsprozeß wie folgt beschrieben werden. Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre bildeten sich mehrere erfolgreiche Rohstoffkartelle in den Entwicklungsländern, zum einen um die starken Schwankungen der Rohstoffpreise einzudämmen, zum anderen um zusätzliche Renten bei den Industrieländem abzuschöpfen. Das Resultat waren steigende Exporterlöse und Ansätze einer staatlich finanzierten Infrastrukturpolitik (Ausbildung, Gesundheitswesen und andere soziale Einrichtungen) in den Entwicklungsländern. Hinzu kamen sehr günstige Weltmarktbedingungen für Wachstum und leichte Geldpolitik, aufgrund der Kriegswirtschaft der USA. Berühmtestes Kartell war die OPEC. Es waren vor allem die Zahlungsbilanzüberschüsse der OPEC-Staaten, die auf den Kapitalmarkt drängten (Euro-Märkte). Da die Entwicklungsländer auf einmal kreditwürdig erschienen und es an alternativen Anlagemöglichkeiten mangelte, wurden seitens der westlichen Banken massive Kredite an jene Ländern gewährt. Dies ist vor allem an der Zusammensetzung der Kreditarten deutlich zu sehen. So sank der Anteil öffentlicher Kredite (Entwicklungshilfe- und Exportkredit, Fußnote 1) von 58% auf 31% in der Zeit zwischen 1971 und 1985, wohingegen die privaten Bankkredite von 12% auf über 40% anstiegen. Das Problem der Bankkredite ist die variable Verzinsung (Fußnote 2), die 1972/73 noch bei 8,3% lag.

Der Zusammenbruch kam aufgrund wieder fallender Rohstoffpreise, da die Kartelle nicht hielten, und wegen zurückgehender Nachfrage, indem die Industriestaaten Rohstoffe substituierten oder recycleten. Hier zeigt sich ein weiteres Hauptproblem der Entwicklungsländer. Die meisten Staaten haben nur 2-3 Rohstoffe, die die einzigen Exportgüter darstellen und zudem einer hohen Nachfrageelastizität ausgesetzt sind, d.h. kleine Preisänderungen führen zu starken Mengenänderungen (Fußnote 3). Durch diese Entwicklung fielen die Exporterlöse. Als dann in der Reagan-Ära die USA versuchten die Abwertung des Dollars zu stoppen, stiegen die Zinssätze bis auf 17, 4% (1982) um dann 1986 wieder auf 8,6% zu sinken. Ebenso stagnierte Ende der 70er Jahre das internationale Wachstum erheblich.

Das war zuviel auf einmal. Im Jahr 1982 betrugen die Zinszahlungen im Verhältnis zu den Ausfuhren 179% für Argentinien, 129% für Mexiko und 122% für Brasilien. Die Länder waren pleite, der Weltmarkt hatte sie zerstört.

Weitere Ursachen sollen nur stichwortartig erwähnt werden, da sie z.T. im Protokoll behandelt werden:

• Prestigeobjekte

• Eliten bereichern sich, Korruption

• Kapitalflucht (wird auf etwa 50% des Schuldenbestandes geschätzt)

• Überbewertung der Währungen • Erhöhung der Erdölpreise

• Wirtschaftspolitik des Westens (unterbewertete Währungen, Protektionismus etc.)

2 Kritisches zur Entwicklungshilfe

In diesem Abschnitt soll die Kritik unorthodoxer Ökonomen an der herrschenden Lehre Entwicklung betreffend vorgestellt werden. Wahrscheinlich leuchten Euch diese Argumente schneller ein als über Jahre hinweg verblendeten Ökonomen. Ich beziehe mich hierbei besonders auf Arbeiten der "Berliner Schule" auch Monetärkeynesianer genannt, in deren Mittelpunkt Professor Riese steht und auf den Einzelkämpfer Professor Stützel, der schon nicht mehr unter den Lebenden weilt.

Allgemein wird Unterentwicklung mit Kapitalmangel erklärL In der traditionellen Lehre gibt es drei Produktionsfaktoren, Arbeit, Kapital und Boden, wobei letzterer keine Rolle spielt. Das Problem so heißt, es läge in dem fehlenden Kapital, alias einer zu geringen Ersparnis der Entwicklungsländer. Es existiere eine "Sparlücke", die irgendwie geschlossen werden müsste. Der traditionelle Vorschlag lautet, man solle Entwicklungshilfe in Form von verbilligten Krediten gewähren.

Was ist aber eine "Sparlücke"? Es heißt einfach, es fehlt Geld, aber wem von uns fehlt das nicht? Was ist Geld? Es ist ein "Nichts" das zur Aneignung von "Etwas" verhilft und auf Gläubiger-Schuldner-Beziehungen beruht.

Geld wird von Zentralbanken geschaffen. Geschäftsbanken verschulden sich bei der Zentralbank um an Geld zu gelangen und verleihen dieses dann an Unternehmen weiter. Diese produzieren mittels Kredit, indem sie Arbeiter und Ressourcen kaufen. Die Eigentümer von Ressourcen und Arbeitskraft (also die Arbeiter selbst) kaufen mit dem Geld die Produkte und legen die Ersparnis - so vorhanden - an. Dadurch sind die Geschäftsbanken nicht mehr nur bei der Zentralbank, sondern auch bei den Geldeigentümern verschuldet. Die Unternehmen müssen durch den Verkauf der Produkte die Kosten und den Zins erwirtschaften.

Geld (Kapital) kann demnach gar nicht fehlen. Die Zentralbank ist jederzeit in der Lage, Geld zu drucken, sollten die Geschäftsbanken Kredite an Unternehmen vergeben wollen und sich bei der Zentralbank verschulden wollen. Darüber hinaus kommt vor der Ersparnis das Einkommen, alias die Investition. Diese Erkenntnis stellt die herrschende Auffassung auf den Kopft In der traditionellen Lehre braucht man erst Ersparnis, bevor man investieren kann.

Die vorgestellte Funktionsanalyse einer Geldwirtschaft erfordert Institutionen wie ein zweistufiges Bankensystem, eine unabhängige Zentralbank und das Vertrauen in die heimische Währung. Wesentlichster Gesichtspunkt für den Vermögenseigentümer stellt die Möglichkeit dar, sein Geld in andere Währungen umtauschen zu können und das ohne Realwertverluste. Das impliziert, daß die Aufrechterhaltung des Geldsystems die wichtigste Anforderung darstellt. Solange ein Geldsystem nicht erodiert ist, kann von Kapitalmangel keine Rede sein.

Damit ist Entwicklungshilfe in Form von verbilligten Krediten überflüssig. Ein anderer Aspekt spricht noch viel stärker gegen Entwicklungshilfe. Die gewährten Kredite dienen den Entwicklungsländern Produktionsanlagen und andere wertproduktive Güter in den Industriestaaten zu kaufen. Dies erhöht die Exporte der Industriestaaten und stellt ein Mittel zur Wahrung von Leistungsbilanzüberschüssen dar. Spiegelbildlich muß natürlich ein Leistungsbilanzdefizit entstehen. Dies geschieht dort, wo zusätzlich zu den Exporterlösen Kredite aufgenommen wurden, also in den Entwicklungsländern. Damit sichern die Industriestaaten ihre protektionistische Unterbewertung, wohingegen die unterentwickelten Staaten überbewertete Währungen in Kauf nehmen müssen.

Zusammenfassend kann behauptet werden, daß das Gerede von einem Kapitalmangel der falschen Auffassung der Funktionslogik des Kapitalismus zuzurechnen ist und traditionelle Entwicklungshilfe den Industriestaaten nutzt.

Entwicklungshilfe die marktkonform ist, erfordert einen Schuldenverzicht der reichen Staaten (die Schulden sind längst abgeschrieben, sprich sozialisiert, die Bürger der westlichen Staaten haben weniger Steuern von seiten der Banken erhalten), ein Offenhalten unserer Exportmärkte für Güter aus diesen Ländern, damit ausreichend Devisen erwirtschaftet werden und last but not least das Tolerieren von Leistungsbilanzüberschüssen der Entwicklungsländer, dadurch kann in diesen Ländern ein interner Investitions-Einkommensmechanismus in Gang gesetzt werden, der einen Weg aus der Abhängigkeit darstellt. Gegen Entwicklungshilfe in Form von Experten, solange diese die Interessen der Entwicklungsländer vertreten, ist natürlich nichts einzuwenden.

3 Die Entwicklungstheorie der Berliner Schule

3.1 Eine Geldwirtschaft vs einer Tauschwirtschaft

Leben wir in einer Geldwirtschaft oder einer Tauschwirtschaft, das ist die paradigmatische Frage, welche die Berliner Schule von fast allen anderen Theorien unterscheidet. Bekanntlich faßt die herrschende Lehre Geld als neutral, die Geldmenge als exogen, die irgendwie von einem Hubschrauber verteilt wird und spricht dem Geld einzig die Tauschmittelfunktion zu. Das impliziert, die Güter untereinander haben relative Preise, die durch Geld normiert werden. Aber Geld spielt eigentlich keine Rolle, erleichtert eben nur den Tausch, oder wie die Ökonomen zu sagen pflegen, senkt die Transaktionskosten. Der Wechselkurs ist konsequenterweise ebenfalls neutral. d. h. er dient der Saldierung von Güterströmen an den jeweiligen Grenzen. Dominanz, Abhängigkeit und Hierarchie sind den herrschenden liberalen Theorien völlig fremd, oh wie schön muß diese Welt sein!

Der Funktionsmechanismus einer Geldwirtschaft aus monetärkeynesianischer Sicht wurde bereits im zweiten Kapitel aufgezeigt und entspricht darüber hinaus der Realität, denn daß Geld vom Hubschrauber verteil wird habe ich in den letzten 26 Jahren nicht feststellen können. In der Theorie des Monetärkeynesianismus steht der Vermögenseigentümer, der Kapitalist, oder genau genommen sein Kalkül im Mittelpunkt Das Kalkül erfordert Realwertsicherheit des Geldvermöggns, sonst wird der Vermögenseigentümer sich weigern, Geldvermögen zu halten bzw. er flüchtet in Sachvermögen. Im internationalen Kontext existiert als weitere Möglichkeit die Flucht in eine andere, sicherere Währung. Diesem Kalkül hat sich die Zentralbank zu beugen, will sie nicht, daß ihr Geldsystem erodiert. Deshalb kann sie nicht beliebig Geld produzieren, sondern nur soviel, daß der Außenwert der jeweiligen Währung einigermaßen fix bleibt. Fragen die Geschäftsbanken zum Zwecke der Kreditgewährung Geld bei der Zentralbank nach, so muß sie mittels ihrer Zinssatzpolitik den Wert des Geldes konstant halten, sprich zu starke Inflation vor allem aber Abwertung verhindern.

Kapitalkontrollen bewirken somit langfristig nichts, da der Vermögenseigentümer nicht gezwungen werden kann, eine reale Kreditmenge zu halten, er wird in unproduktives Sachvermögen flüchten, Betongold genannt, sprich Grundstücke, die nicht bewirtschaftet werden etc.. Das größte Problem der Sicherung des Geldwertes stellt die Notwendigkeit hoher Zinssätze zur Verhinderung von Abwertung dar. Diese müssten in Entwicklungsländern oftmals so hoch sein, daß eine Entwicklungsblockade unausweichlich bleibt. Damit ist natürlich auch nichts gewonnen, das macht einmal mehr das Dilemma des Weltmarktes aus.

3.2 Stabilitätsorientierte Unterbewertung und selektive Protektion

Die einzige Weltmarkt kompatible Möglichkeit für nachholende Entwicklung, die die Berliner Schule sieht, besteht aus einer Kombination der im Titel genannten Instrumente. Aufgrund der Unterbewertunggsstrategie ist sofort einsichtig, daß es sich hierbei um kein Patentrezept für alle Entwicklungsländer handeln kann. Unterbewertete Währungen werden an Leistungsbilanzüberschüssen festgemacht, d. h. eine Währung ist dann unterbewertet, wenn aufgrund der Wechselkursrelationen mehr exportiert als importiert wird. Da spiegelbildlich zu Leistungsbilanzüberschüsse Leistungsbilanzdefizite in anderen Ländern erzeugt werden, ist der Erfolg des einen Währungsraum allemal die Katastrophe anderer. Der Weltmarkt ist nun mal ein Nullsummenspiel.

Die Anforderungen an eine stabile Währung sind oben genannt worden, ebenso die Gründe für Stabilität. Warum aber muß eine Währung unterbewertet sein? (Fußnote 4) Die Erklärung ist so trivial wie einfach: es ist eben dominanter Gläubiger im internationalen Kontext zu sein als Schuldner. Wie schon dargelegt wurde dominiert beim Vermögenseigentümer das Kalkül aus einer Währung realwertgesichert "herauszukommen". Handelt es sich nun um eine Schuldnerwährung (Fußnote 5), die permanent über Exporteinnahmen den Schuldendienst zu leisten hat, so ist die Gefahr der fehlenden Devisenreserven relativ groß bzw. der notwendigen Abwertung. Also schaut der auf Vermögenssicherung fixierte Vermögenseigentümer auf die Schuldner-/Gläubigerposition im internationalen Kontext. Da die Gefahr der Illiquidität mit hohen Zinsen zu bezahlen ist, zeichnen sich die Entwicklungsländer durch niedrige Reallöhne und hohe Realzinsen aus.

Die Strategie der Unterbewertung erlaubt nun eine Verbesserung der Schuldnerposition oder einen Aufbau einer Gläubigerposition und dadurch sinkende Zinssätze, da die Unsicherheit geringer wird. Niedrigere Zinssätze wirken wiederum stimulierend auf das Aktivitätsniveau der heimischen Wirtschaft und erlauben Reallohnsteigerungen.

Damit ist die erste Bedingung für Entwicklung genannt, die Währung muß unterbewertet sein, um Leistungsbilanzüberschüsse zu generieren und langfristig eine höhere Vermögenssicherungsqualität der Währung ermöglichen (Fußnote 6). Die Unterbewertung zusammen mit niedrigen Reallöhnen stellen die absoluten Vorteile (Fußnote 7) im Weltmarkt dar (Fußnote 8). Absolute Vorteile wirken auf das Wettbewerbsniveau, ermöglichen ein anfängliches Wachstum, induzieren aber keinen Strukturwandel, sondern schreiben die periphere Situation der unterentwickelten Staaten fest. Das heißt nur aufgrund der niedrigen Reallöhne wird sich Industrie ansiedeln, die aber nicht in der Lage sein wird höhere Löhne zu zahlen.

Für die Wettbewerbsstruktur sind die komparativen Vorteile verantwortlich, die über selektive Protektion sichergestellt werden können. Hört ihr sie schon schreien, die Liberalen? Dabei haben sie überhaupt keinen Grund dazu, denn jedes Land muß, um im Weltmark überleben zu können in irgendeiner Weise komparative Vorteile erzeugen. Wie machen dies die Industriestaaten? Sie subventionieren die Forschung, bauen Universitäten, um ein höheres Humankapital zu bilden, das den Unternehmen dann "kostenlos" überlassen wird, sie fördern die Infrastruktur etc. etc.. Doch wie können die armen Staaten komparative Vorteile sichern, wenn nicht über Zölle.

Zusammenfassend kann Unterbewertung als notwendige und selektive Protektion als hinreichende Bedingung für Entwicklung bezeichnet werden.

Die selektive Protektion steht der von Friedrich List (Fußnote 9) im letzten Jahthundert vorgeschlagenen Erziehungszollidee nahe. Für Güter die aus der Produktion hervorgehen, die hohes Fixkapital, hohen Lernaufwand und hohe Aufbaukosten erfordern, sind Zölle zu erheben. Die Zölle sollen nach Wertproduktivität gestaffelt sein und unabhängig von der Produktionsstufe oder der Verwendung erhoben werden (Fußnote 10). Die selektive Protektion dient damit der Diversifizierung der Ökonomie, schafft eine Verbindung zwischen Binnenmarktentwicklung und Exportsektor und verbessert die Elastizitätsbedingungen für die Exportgüter auf dem Weltmarkt. Zum einen kann die selektive Protektion bei Induzierung eines selbsttragenden Aufschwungs abgebaut werden, oder aber dauerhafte komparative Vorteile sichern.

Die Wirtschaftsgeschichte liefert massig Beispiele für erfolgreiche Entwicklung mittels Protektion, Kontinentaleuropa im 19. Jahrhundert, Japan im 20. Jahrhundert und auch Taiwan und Südkorea in jüngster Zeit.

3.3 Gedanken zum Weltmarktzusammenhang

Da niemals alle Länder gleichzeitig Nettogläubiger sein können, der Aufstieg des einen Landes den Abstieg eines anderen bedingt oder noch mehr Abhängigkeit für schon am unteren Ende siechende Staaten bedeutet, wird Dominanz, Hierarchie und Abhängigkeit nicht aus einer kapitalistischen Wirtschaft verschwinden. Die einzige Hoffnung, die uns bleibt, ist die Tatsache, daß aufgrund falschen Verhaltens ehemalige Nettogläubigerländer absteigen können und somit Platz machen werden für die Dominanz anderer. Holland im 17./18. Jahrhundert, England bis zum ersten Weltkrieg und bis zum Ende des 20. Jahrhunderts noch die USA, danach Japan oder China. Es können andere sein, die dominieren, an der Funktionslogik des Weltmarktes wird sich dadurch nichts ändern.

Fußnoten

1 Unter öffentlichen Krediten werden von Staaten und internationalen Organisationen gewährte Kredite verstanden, meist zinsverbilligt.

2 Variable Verzinsung bedeutet, daß die Kreditkonditionen normalerweise alle drei Monate den Marktzinsen angepasst werden.

3 Eine geringe Elastizität weisen im Normalfall die wertproduktiveren Güter auf. Z. B. fällt die Nachfrage nach einem Mercedes bei steigenden Kosten nicht so stark wie etwa nach Rohstoffen, da das Produkt diversifizierter und schwerer zu substituieren ist.

4 In der herrschenden Theorie stellt Unterbewertung eine nicht-rationale Strategie dar, da Wohlfahrtsgewinne verschenkt werden. So einfach ist der Weltmarkt eben nicht, wie ihr im folgenden sehen werdet.

5 Nur im Fall der Leitwährung (z. Z. der US-Dollar) sieht die Situation anders aus. Das Leitwährungsland kann sich in eigener Währung verschulden wegen seiner herausgehobenen Stellung in der Währungshierarchie. Die Leitwährung stellt mit ihrem Geld die internationale Liquidität dar. Natürlich ist eine permanent zunehmende Verschuldung der Leitwährung langfristig nicht mit der Funktionsanforderung der Leitwährung vereinbar und es wird zu einem Wechsel kommen. In der Übergangszeit existiert ein Multiwährungsstandard, das impliziert, daß es keine eindeutige Leitwährung gibt und jede potentielle versuchen wird über Leistungsbilanzüberschüsse die Leitwährungsposition an sich zu reißen. Konsequenz sind international steigende Zinsen und möglicherweise eine lang anhaltende Rezession.

6 Da permanente Abwertungen die Vermögenssicherung der Währung aushöhlen, muß die induzierende Abwertung durch die inländischen Institutionen (Staat, Gewerkschaften etc.) gehalten werden, das erfordert einen Verzicht auf zu starke Lohnsteigerungen und zu expansive Budgetpolitik. Wenn diese Gegebenheiten nicht gewährleistet sind, ist die Strategie nicht erfolgreich. Das impliziert wieder einmal, daß nur gewisse Länder überhaupt in der Lage sein werden die Strategie erfolgreich zu realisieren.

7 Hier ist wieder einmal auf einen Unterschied zur herrschenden Lehre hinzuweisen. Die herrschende Lehre spricht bei Reallohndifferentialen von komparativen Vorteilen. Das ist logisch falsch. Ebenso stellte Ricardo seine Theorie der komparativen Vorteile bei internationalem Handel unter der Annahme gleicher Reallöhne in England und Portugal auf!

8 Genau genommen handelt es sich bei den Reallohndifferentialen natürlich um Nachteile, die eindeutiger Ausdruck der Unterentwicklung sind.

9 Friedrich List, ein deutscher Ökonom stritt damals mit Ricardo, einem englischen Ökonom. Ricardo, die Interessen der am weitest entwickelten Ökonomie vertretend, plädierte selbstverständlich für Freihandel. List sah das aus der Perspektive des unterentwickelten Deutschlands anders.

10 Selbst die BRD wandte in der Zahlungsbilanzkrise 1950/51 eine solche Zollstruktur an. Demnach waren z. B. Rohstoffe wie Erze, Schrott, Kohle und elektrischer Strom zollfrei, Roheisen und ähnliche Vorprodukte wurden mit 12% Zoll belegt, Universaleisen (M), Nägel (20%), Schrauben (25%), Elektrobleche (M) und schließlich Kraftfahrzeuge (35%).

Literaturverzeichnis

Abschnitt 1

Sander, Paul und Sommer, Michael (1992), Banken, Kredite und die "Dritte Welt". Band 1: Verschuldung als moderne Form der Ausplünderung. Schmetterling Verlag, Stuttgart.

Kaiser, Martin und Wagner, Norbert (1988), Entwicklungspolitik. Grundlagen - Probleme -Aufgaben. Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn, Bd. 239.

Opitz, Peter J. (Hrsg.) (1990), Weltprobleme. Bundeszentrale für politische Bildung, München.

Abschnitt 2

Stützel, Wolfgang (1978), Volkswirtschaftliche Saldenmechanik. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen.

Herr, Hansjörg (1992), Geld, Währungswettbewerb und Währungssysteme: theoretische und historische Analyse der internationalen Geldwirtschaft. Campus Verlag, Frankfurt/New York.

Lüken genannt Klaßen, Mathilde (1993), Währungskonkurrenz und Protektion. Peripherisierung und ihre Überwindung aus geldwirtschaftlicher Sicht. (Studien zur monetären Ökonomie, Bd. 12). Metropolis Verlag, Marburg.

Abschnitt 3

Lüken genannt Klaßen, Mathilde (1993), Währungskonkurrenz und Protektion. Peripherisierung und ihre Überwindung aus geldwirtschaftlicher Sicht. (Studien zur monetären Ökonomie, Bd. 12). Metropolis Verlag, Marburg.

Lüken-Klaßen, Mathilde und Betz, Karl (1989). Weltmarkt und Abhängigkeit. In: Riese, Hajo und Spahn, Heinz-Peter (Hrsg.), Internationale Geldpolitik. (Studien zur monetären Ökonomie, Bd. 2). Transfer-Verlag, Regensburg, S. 217-265.

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