morgens auf bali...

Miloš Boniek

Unter fliegenden, grauen Wolken, die eben noch den Monsun über mir ausspuckten, gehe ich durch schreiend grüne Reisfelder. Im Wasser zwischen den Setzlingen spiegeln sich Himmel und Kokospalmen, stehen ein paar Reisbauern, gebückt. Die ersten Häuser eines Dorfes tauchen auf, Bambusmasten mit wehenden Fähnchen recken sich vor den steinernen Portalen der Gärten, vor denen kleine Opferschälchen mit Blüten und Reiskörnern liegen, jeden Tag aufs neue von den Frauen in den Gärten zusammengebunden aus Bananenblättern, um die Inseldämonen zu beschwichtigen. Vor dem Portal eines Tempels ein Menschenauflauf, nein nur Männer, die zusammenstehen und reden, daneben eine kleine Garküche, Soto Ayam, die typische Hühnersuppe, läßt mir das Wasser im Munde zusammenlaufen. Mit einem Lächeln füllt mir ein Mann ein Schälchen. Ich kann nicht erkennen, worauf die Männer warten, trete, den Löffel noch in der Hand näher und schaue ihnen über die Schultern, stolz halten sie ihre Hähne gepackt, die sie bis zur Weißglut reizen, am Kamm zwicken, an den Federn ziehen, die Männer lachen und reißen Witze.

Zwei wütend fauchenden Hähnen werden jetzt fingerlange Messerklingen ans linke Bein gebunden, ein Ruck geht durch die Menge, die Körper straffen sich, aus den Gesichtern weicht jedes Lachen angespanntem Ernst Im Hintergrund Bewegung, ein Mann sammelt Geldscheine ein, die Wetten laufen noch, halbe Monatsgehälter knistern zwischen den Fingern. Ich vergesse mein Soto Ayam, starre gebannt in den Ring, den die Männer nun bilden, die Hähne schießen aufeinander los, ein Bündel aus schwarzen und weißen Federn, mit roten Farbtupfern dazwischen, tobt durch den Ring und entwirrt sich wieder. Schweratmend sehen sich die Kämpfer in die Augen, der Flügel des schwarzen Hahns hängt bereits, die Klinge des weißen trieft vor Blut, doch schon stürzen sie sich in die nächste Runde und hacken und treten in blinder Raserei.

Ich wende verstört meinen Blick ab und schaue in die Runde, in Gesichter, die reglos und konzentriert auf eine Entscheidung warten, die einen Berg Rupien bedeuten kann. Wird der schwarze Hahn einen Gegenangriff plazieren können? Nein, der Weiße hat schon die Oberhand gewonnen, ein letztes Mal hackt er zu, dann läßt er seinen matten Gegner mit gebrochenem Bein am Boden liegen. Die Gesichter entspannen sich, die Gewinner streichen das Geld ein und zünden sich eine Zigarette an, Nelkendunst erfüllt die Luft. Ein Mann hebt den schwarzen Hahn auf, hat das gebrochene Bein in der Hand, das andere reißt er ab, um die Klinge abzubinden. Seine Gedanken kreisen schon um den nächsten Kampf, während er dem Hahn die Rückenfedern ausrupft, dann legt er ihn in den Straßengraben, wo er mit fliegendem Atem langsam verendet. Im Hintergrund werden die nächsten Hähne ausgewählt, entsetzt nehme ich den Rest Soto Ayam in meinem Schälchen wahr, stelle es fassungslos in die Garküche und, die Dorfstraße hinunter, an steinernen Portalen und Geisterhäuschen vorbei, hinaus auf schreiend grüne Reisfelder.

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