morgens auf rarotonga...

Miloš Boniek

Aus dem kleinen vergitterten Fenster ist weit und breit kein Pazifik zu sehen, kaum Himmel, nur Bananenstauden. Derart ermuntert, verlasse ich mit knurrendem Magen das düstere, geschmacklose Quartier, in dem ich mitten in der Nacht gelandet bin, um Frühstück aufzutreiben, durchquere einen riesigen trostlosen Garten, in dem zwischen tropischen Pflanzen Autowracks vor sich hin rosten, und finde an der Straße einen Laden, der Toastbrot, Instant-Kaffee und Videokassetten vertreibt. Ich begnüge mich mit einer Zeitung, den Cook Islands News, und beschließe, in den Ort zu fahren. An dem Baum, an dem der Bus halten soll, schlage ich das Blatt auf und entnehme dem aktuellen Polizeibericht, daß sich vorletzte Nacht fünf Ehepaare im Suff an den Kragen gegangen sind. Ein ältlicher, zahnloser Polynesier mit einer Fahne, daß es mir fast den Atem verschlägt, läßt sich neben mir nieder und redet freundlich auf mich ein, so daß ich den Bus, der einmal in der Stunde die Insel umrundet, zu spät bemerke. Weg ist er, der Alte lächelt und verschwindet, worauf ein Wolkenbruch einsetzt. Auf einem winzigen Mofa fährt mit aufgespanntem Schirm ein gewaltiger Maori mit wehender schwarzer Mähne vorbei, dreimal so breit wie der Sattel.

Also gehe ich zur nächsten Tankstelle, um ein Mofa zu mieten, denn irgendwo muß jetzt schnell etwas zu essen herkommen - aber nein, ein Mofa ist unbezahlbar, ein Fahrrad muß reichen. Dann strample ich los, vorbei an einer endlosen Reihe tropischer Schrebergärten, in denen bunte Baracken mit Wellblechdächern stehen, unterbrochen von weiteren Tankstellen, Videotheken und Fish 'n' Chips-Buden. Madonnenfiguren am Wegesrand und moosbewachsene, vom Monsun zerfressene Friedhöfe, die Horrorfilmen entsprungen sein könnten, sorgen für Abwechslung. Am Ortsrand fordert ein Schild: "Keep our Paradise aids-free"? Paradies? Wo? lache ich bitter und fahre in das Kaff, das aus einer Ansammlung nichtssagender Betonhäuser, einem Kreisel und zwei, drei Shopping-Zentren unter Kokospalmen besteht. Im größten Supermarkt der Insel lachen mich Konservendosen aus aller Welt an, und ein paar tropische Früchte und Gemüse verlieren sich zu astronomischen Preise in einer Auslage. Entnervt fülle ich den Einkaufswagen mit erschwinglichem Billigkram und bezahle. Der Regen hat aufgehört, in der Ferne kracht die Pazifik-Brandung aufs Riff, unerreichbar für mich. Ich steige seufzend aufs Rad. So hatte ich mir die Südsee immer vorgestellt.

[zurück zum Anfang]



© 2000 km 21.0 - diese Seite ist Bestandteil von www.km21.org