archiv mailingliste km 21.0

Dezember 2001 bis März 2002
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Von: Peter Hanssen, 5 Mar 2002
Subject: US Umweltschutz

Kyoto ist nicht patriotisch genug:

http://www.saveabarrel.org/

PETE


Von: J. LANGER 4 Feb 2002
Subject: Antonio Negri: Porto Alegre ist nicht die Pariser Commune

Porto Alegre ist nicht die Pariser Commune

ANTONIO NEGRI: Der italienische Philosoph Antonio Negri über seine
Nähe und Distanz zum Weltsozialforum, den Anti-Amerikanismus und die
schädlichen Illusionen eines überholten Souveränitätsbegriffs

http://www.freitag.de/2002/06/02060302.php (4.2.2002)


Von: Niels Boeing 30 Jan 2002
Subject: schönes 2002!

hey, meine lieben,

noch ist januar, da darf man noch ein verspätetes neues jahr wünschen. war längere zeit weg (in kambodscha, empfehlenswert) und bin jetzt schon wieder unter arbeit begraben, so dass die km21-site noch immer nicht auf dem neusten stand ist. das kommt in den nächsten 10 tagen, versprochen.
diskussionsstoff gibt es ja noch genug:
- unsere islam/11.Sept./kriegs-debatte ist meines erachtens noch lange nicht abgeschlossen, stichworte: taliban-häftlinge in guantanamo, US-aufmarsch auf den philippinen... aber vielleicht packen uns die folgenden zwei themen erst einmal mehr:
- das weltsozialforum in porto alegre beginnt morgen (bis 5. feb.), nicht weit weg von argentinien, an dessen chaos man einmal mehr über die globalisierung diskutieren kann (siehe auch die mail von holger volland, die franz weitergeleitet hat), wir sind da nach genua noch nicht weitergekommen
- und natürlich die heutige entscheidung des bundestags für einen begrenzten import von stammzellen, silvia hatte ja schon einen taz-beitrag dazu auf die liste gesetzt. dazu herrscht große ratlosigkeit, nachdem sich diverse theologen, philosophen, biomediziner in den letzten monaten die köpfe heißgestritten haben. ist das nun der "dammbruch" auf dem weg zur biotechnischen manipulation, oder nur eine technik-hysterie, wie sie auch dem internet zuteil wurde...? in den nächsten tagen mehr dazu.

für heute abend ciao, euer niels


Von: Niels Boeing 30 Jan 2002
Subject: RE: Meta-Diskussion?/islam-debatte

lieber martin,

nach längerer abwesenheit hier eine antwort auf deine letzte mail vom dezember:
>>> A. (ad K. Pruestel): Wir hinterfragen die Berechtigng einer
Islam-Diskussion in diesem Forum, die auf Grund (a) wohlinformierter,
aber dennoch klischeehafter Vorstellungen vom Islam...
kannst du mir ein beispiel nennen, welchen beitrag du wohlinformiert UND klischeehaft zugleich fandest?
>>> B. (ad N. Boeing, 3. Dez): Einen diskursiven Schlagabtausch
grundsaetzlich als konstruktiv zu definieren erscheint mir zu verkuerzt.
Der Stand der Gesamtdiskussion, wonach du fragst, verkuerzt sich m. E.
auf die Rezitation laengst bekannter, gefaelliger Positionen.
>>> C. (ad N. Boeing) Die "drei Fragen" lassen sich, ihrer Fragestellung
nach inhaltlich nicht aufloesen:
- Wie gehen Nicht-Moslems kuenftig mit dem Islam um: Was
bedeutet diese Negation? Weshalb verschanzt sich der Fragende dahinter?
Gibt es den Nicht-Moslem als solches?
keine verschanzung. die frage betrifft nur alle. ich für meinen kann antworten: ich genauso wie vorher damit um. in der praxis nämlich nicht, in der akzeptanz oder im respekt genauso wie bisher.
>>> - Was können wir legitimerweise von Moslems fordern - im Alltag in
Deutschland und in den islamischen Ländern: Diese Frage eruebrigt sich
dadurch, dass damit moralische Forderungen in den Raum gestellt werden,
die offensichtlich unreflektiert vor die eigenen Interessen gestellt
werden. Kann man da nicht fragen: Was kann man legitimerweise von dir
fordern - im Alltag in Deutschland und in den islamischen Laendern? Oder
habe ich die urspruengliche Frage unberechtigterweise rassistisch
interpretiert?
das wir war eine rhetorische figur, wenn wir jetzt einmal so ins detail der formulierungen gehen. wiederum ich für meinen teil antworte: ich fordere von moslems nichts. aber ich hatte die erwartung, dass sich auf der liste einige zu wort melden würden, die schon in ihren vorherigen beiträgen implizite forderungen formuliert hatten. weil es DIE moslems nicht gibt.
du hast die frage fälschlicherweise rassistisch interpretiert. aber die interpretation sei dir unbenommen. wen sprichst du mit deiner alternativ-formulierung in dem "dir" an - jeden von uns, und wenn ja, in welcher hinsicht?
>>> - Müssen alle mörderischen Regime unter islamischer Flagge
gewaltsam gestürzt werden? Wenn nein, bis zu welchem Grade toleriert
man sie?: Gerade in dieser Frage offenbart sich die Voreingenommenheit
der hier gefuehrten Diskussion. Moerderisch, Regime, Flagge, Stuerzen...
Verderben wird implizit als Loesung angeboten. Wie unreflektiert fuer
km21...
unreflektiert scheint eines deiner lieblingswörter zu sein. schon wieder eine stellungnahme auf der meta-ebene. nun ja. vielleicht schreibst du uns einfach mal deine meinung, deine gedanken auf. die kenne ich auch nach dieser mail immer noch nicht.
>>> D: Natuerlich kann man sich: Hinter einer Diskssion verstecken!
stimmt. du versteckst dich ziemlich gut hinter deiner meta-erörterung, welche fragen unreflektiert voreingenommen sind, beziehst dich aber immer nur auf die formulierungen, nie auf den gedanken selbst.
kannst du mir nicht weiterhelfen, worum es dir geht? was ist dein anliegen in dieser debatte? dein standpunkt?!
vielleicht klappt's dann mit dem umdenken bei mir ;-)

ich bin gespannt, ciao, niels


From: Franz Cong Bui, 30.1.2002
Subject: Neue Repressionen in Argentinien / Holger Volland

Hallo,
wen immer es interessieren mag, die Mail ist zwar nicht taufrisch, aber auf
der verlinkten Webseite gibt es noch einige Zeit lang aktuelle, subjektive
Informationen zur Situation in Argentinien, von einem Bekannten vor Ort.
Viele Grüße an alle
Franz

>Date: Sat, 26 Jan 2002 15:03:51 -0300
>
>Liebe Freundinnen und Freunde,
>
>bei der gestrigen Großdemonstration in Buenos Aires gab es einen neuen,
>traurigen Höhepunkt an undemokrtischen Tendenzen seitens des Regierung.
>Leider werden die Vorkommnisse in der Presse nur sehr unwahr dargestellt, da
>die Regierung massiven Duck auf die freue Presse ausübt. Näheres unter:
>http://www.holger.com.ar/indexjump1.html
>
>Des weiteren habe ich begonnen, Links und Informationen zu demokratischen,
>sozialen und Menschentrechtsorganisationen in Argentinien zu sammeln. In der
>nächsten Woche konnte ich zu diesem Thema auch zwei Interviews mit einer
>Demokratieaktivistin und einem ministerialen Rechtberater vereinbaren. Die
>Interviews werden wahrscheinlich gegen Ende der Woche online sein. Solltet
>Ihr Kontakte oder weitere Informationen zu diesem Themenkomplex oder
>Anregungen aus anderen Teilen der Welt haben, freue ich mich sehr darüber!
>
>Meine neue Domain ist nun endlich freigeschaltet und ich habe also dank
>meiner Freunde, die mir diese Adresse zum Geburtstag geschenkt haben, genung
>Speicherplatz unter
>www.holger.com.ar
>
>Beste Grüße aus der Sonne Argentiniens
>
>Holger Volland


From: J. LANGER 24.1.2002
Subject: telegraph #105: Erlebnisbericht aus Afghanistan

....vielleicht kennts der/die eine oder andre schon.
 
liebe grüsse,
jochen
 
>>>>>>> http://telegraph.ostbuero.de/telegraph/105/inhalt105.htm
 
telegraph #105
„Dass ich von Flüchtlingen geschlagen wurde, ist ein Zeichen des Hasses und der Wut auf diesen schmutzigen Krieg“
Robert Fisk
Hallo, Für jene, die diesen oder jenen Bericht gehört haben und verständlicherweise besorgt sind - ja, Robert Fisk wurde von einem Mob in Afghanistan angegriffen und schlimm verletzt. Der Angriff wurde jedoch abgewendet, und er ist jetzt außer Gefahr.
Ich kenne Fisk nicht persönlich, aber ich bewundere seine Arbeit sehr. Er ist meiner Ansicht nach der heute bedeutendste Reporter der Welt, überaus mutig, und ebenso erstklassig in seinen Analysen. Ich habe nicht direkt von ihm gehört, aber seine Reaktion auf den Überfall, die im Independent erscheinen wird, folgt anschließend und erklärt sein Befinden. Und wie seine Reaktion auf die meisten Dinge, liefert er auch Kontext, einen Sinn von Verhältnismäßigkeit und Verständnis. Michael Albert


Mit Händeschütteln fingen sie an. Wir sagten „Salam aleikum“ – Friede sei mit Ihnen - dann flogen die ersten Kieselsteine an meinem Gesicht vorbei. Ein kleiner Junge versuchte, meine Tasche zu ergreifen. Dann ein anderer. Dann schlug mich jemand in den Rücken. Dann zerbrachen junge Männer meine Brille, begannen Steine in mein Gesicht und an meinen Kopf zu werfen. Ich konnte nichts sehen von dem Blut, das mir von der Stirn floss und meine Augen überschwemmte. Und sogar dann verstand ich. Ich konnte sie nicht verantwortlich machen für das, was sie taten. In der Tat, wenn ich die afghanischen Flüchtlinge von Kila Abdullah nahe der afghanisch-pakistanischen Grenze wäre, hätte ich Robert Fisk dasselbe angetan. Oder jedem andern Abendländer, den ich finden könnte. Warum also über meine wenigen Minuten von Schrecken und Selbstekel, wie ein Tier blutend und weinend, bei dem Angriff nahe der afghanischen Grenze berichten, wenn Hunderte - lasst uns offen sein und Tausende sagen – unschuldige Zivilisten unter amerikanischen Luftangriffen in Afghanistan sterben, wenn der „Krieg der Zivilisation“ die Paschtunen von Kandahar verbrennt und verstümmelt und ihre Häuser zerstört, weil „Gut“ über „Böse“ triumphieren muss? Einige der Afghanen in dem kleinen Dorf waren schon seit Jahren dort, andere während der letzten zwei Wochen angekommen - verzweifelt und böse und ihre geliebten Angehörigen betrauernd. Es war eine schlechte Stelle für ein Auto, stehen zu bleiben. Eine schlechte Zeit, gerade vor Iftar, dem Ende des täglichen Fastens im Ramadan. Aber was mit uns geschah, war sinnbildlich für den Hass und die Wut und Heuchelei in diesem schmutzigen Krieg, als eine wachsende Zahl heruntergekommener afghanischer Männer, jung und alt, die Ausländer - Feinde - in ihrer Mitte sahen und versuchten, mindestens einen von ihnen zu zerstören.
Viele dieser Afghanen waren, wie wir erfahren sollten, davon empört, was sie im Fernsehen von den Massakern von Mazar i Sharif gesehen hatten, von den getöteten Gefangenen mit auf den Rücken gebundenen Händen. Ein Dorfbewohner sagte später einem unserer Fahrer, dass sie das Videoband von den CIA-Beamten „Mike“ und „Dave“ gesehen hatten, die einem knienden Gefangenen in Mazar mit dem Tod drohten. Sie waren ungebildet – ich habe Zweifel, ob viele lesen konnten – aber sie brauchen keine Schule, um auf den Tod ihrer Lieben durch B-52-Bomber zu antworten. Bei der Gelegenheit hatte sich ein schreiender Teenager an meinen Fahrer gewandt und fragte allen Ernstes: „Ist das Herr Bush“? Es muss etwa 4,30 am Nachmittag gewesen sein, als wir Kila Abdullah erreichten, das auf halber Strecke zwischen der pakistanischen Stadt Quetta und der Grenzstadt Chaman liegt; Amanullah, unser Fahrer, Fayyaz Ahmed, unser Übersetzer, Justin Huggler vom Independent - frisch vom Bericht über das Mazar-Massaker - und ich. Das erste, was wir wussten, dass etwas falsch ist, war, als das Auto mitten auf der schmalen, überfüllten Straße stehen blieb. Ein Film weißen Dampfs stieg von der Haube unseres Jeeps auf, ein konstantes Hupkonzert von Bussen, Lastwagen und Rikschas protestierte gegen die Straßensperre, die wir verursacht hatten. Wir vier stiegen aus dem Auto und schoben es zur Seite. Ich murmelte etwas zu Justin, in der Art von „eine schlechte Stelle für eine Panne“. Kila Abdulla war das Zuhause tausender afghanischer Flüchtlinge, armer und wirrer Massen, die der Krieg in Pakistan produziert hat.
Amanullah ging weg, um ein anderes Auto zu finden - es gibt nur eins, das schlimmer ist, als eine Menge von ärgerlichen Männern, und das ist eine Menge ärgerlicher Männer im Dunkeln - und Justin und ich lächelten die anfangs freundliche Menge an, die sich schon um unser dampfendes Fahrzeug versammelt hatte. Ich schüttelte viele Hände - ich sollte vielleicht an Herrn Bush gedacht haben - und sprach viele „Salam aleikums“. Ich wusste, was geschehen konnte, wenn das Lächeln aufhörte. Die Menge wurde größer, und ich schlug Justin vor, uns vom Jeep weg zu bewegen und auf die offene Straße zu gehen. Ein Kind hatte seinen Finger hart gegen mein Handgelenk schlagen lassen, und ich sagte mir, dass es ein Zufall sei. Dann sauste ein kleiner Stein an meinem Kopf vorbei und sprang von Justins Schulter ab. Justin drehte sich um. Seine Augen zeigten Besorgnis, und ich erinnere mich daran, wie ich tief Luft holte. Bitte, dachte ich, dass es nur ein Streich war. Dann versuchte ein anderes Kind, meine Tasche zu ergreifen. Sie enthielt meinen Reisepass, Kreditkarten, Geld, Tagebuch, Adressbuch, mobiles Telefon. Ich riss sie zurück und zog den Riemen um meine Schulter. Justin und ich überquerten die Straße, und jemand schlug mir auf den Rücken. Wie kommen Sie aus einem Traum heraus, wenn die Charaktere plötzlich feindlich werden? Ich sah einen der Männer, die immer gelächelt hatten, als wir Hände schüttelten. Er lächelte jetzt nicht. Einige der kleineren Jungen waren immer noch am lachen, aber ihr Grinsen verwandelte sich in etwas anderes. Der angesehene Ausländer - der Mann, der vor einigen Minuten nur „Salam aleikum“ gewesen war - war aufgeregt, ängstlich, auf der Flucht. Der Westen wurde gedemütigt. Justin wurde herumgeschubst, und in der Mitte der Straße bemerkten wir einen Busfahrer, der uns zu seinem Fahrzeug winkte. Fayyaz, immer noch beim Auto, außerstande zu verstehen, warum wir weggegangen waren, konnte uns nicht mehr sehen. Justin erreichte den Bus und stieg hinein. Als ich meinen Fuß auf die Stufe setzte, ergriffen drei Männer den Riemen meiner Tasche und zogen mich zurück auf die Straße. Justins Hand kam heraus. „Halt aus“, schrie er. Ich tat es. Das war, als der erste starke Schlag auf meinem Kopf fiel. Ich stürzte fast unter dem Schlag, meinen Ohren klangen. Ich hatte das erwartet, allerdings nicht so schmerzhaft oder schwer, nicht so unmittelbar. Seine Botschaft war schrecklich: jemand hasste mich so sehr, dass er mich verletzte. Es gab zwei weitere Schläge, einen von hinten auf meine Schulter von einer mächtigen Faust, die mich gegen die Seite des Busses schleuderte, während ich immer noch Justins Hand festhielt. Die Passagiere schauten zu mir und dann zu Justin. Aber sie regten sich nicht. Niemand wollte helfen. Ich schrie „Hilf mir, Justin“, und Justin - der mehr tat, als ein Mensch tun kann, indem er sich an meinen lösenden Griff hängte, fragte mich durch das Schreien der Menge, was ich wollte, dass er tun soll. Dann bemerkte ich, dass ich ihn kaum hören konnte. Ja, sie schrieen. Hörte ich das Wort „Kaffir“ - Ungläubige? Vielleicht täuschte ich mich. Und dann wurde ich von Justin weggezogen. Es gab zwei weitere Schläge auf meinen Kopf, einen auf jede Seite, und aus irgendeinem merkwürdigen Grund meldete sich ein Teil meiner Erinnerung – ein kleiner Sprung in meinem Gehirn - an einen Moment in der Schule, in der Grundschule vor mehr als 50 Jahren, als ein großer Junge, der Sandburgen auf dem Spielplatz baute, mir auf den Kopf geschlagen hatte. Ich hatte eine Erinnerung an den Geruch des Schlags, als ob meine Nase davon betroffen wäre. Der nächste Schlag kam von einem Mann, den ich sah, wie er einen großen Stein in seiner rechten Hand trug. Er traf meine Stirn mit ungeheurer Gewalt, und etwas Heißes und Flüssiges spritzte über mein Gesicht und meine Lippen und mein Kinn.Ich wurde getreten. In den Rücken, gegen die Schienbeine, gegen meinen rechten Oberschenkel. Ein anderer Teenager ergriff erneut meine Tasche, und ich hängte mich an den Riemen, als ich plötzlich aufsah und merkte, dass dort vor mir 60 Männer waren und heulten. Merkwürdigerweise war es nicht Furcht, die ich fühlte, sondern eine Art von Verwunderung. So ist das also, wenn es geschieht. Ich wusste, dass ich antworten musste. Oder, so folgerte ich in meinem betäubten Zustand, ich musste sterben. Das einzige, was mich entsetzte, war meine eigene physische Wahrnehmung des Zusammenbruchs, mein wachsendes Bewusstsein des Flüssigen, das mich zu bedecken begann. Ich glaube nicht, dass ich zuvor jemals so viel Blut gesehen habe. Für eine Sekunde sah ich den Anblick von etwas Schrecklichem, ein Alptraumgesicht - mein Eigenes - gespiegelt im Fenster des Busses, überströmt von Blut, meine Hände durchnässt von dem Zeug wie Lady Macbeth, in meinen Pullover und im Hemdkragen lief es runter, bis mein Rücken nass war, von meiner Tasche triefte es purpurn, und plötzlich erschienen Spritzer auf meiner Hose. Je mehr ich blutete, desto mehr sammelte sich die Menge und schlug mich mit ihren Fäusten. Kiesel und kleine Steine begannen von meinem Kopf und Schultern abzuspringen. Ich erinnere mich gedacht zu haben, wie lange dies noch gehen kann? Mein Kopf wurde plötzlich zur selben Zeit von beiden Seiten mit Steinen getroffen - nicht von geworfenen Steinen, sondern Steinen in den Händen von Männern, die versuchten meinen Schädel zu brechen. Dann schlug mich eine Faust ins Gesicht, die Brille auf meiner Nase zersplitterte, eine andere Hand griff die Ersatzbrille an meinem Hals und riss den Lederbehälter von der Schnur. Ich glaube, an dieser Stelle sollte ich dem Libanon danken. 25 Jahre habe ich die Kriege im Libanon beobachtet, und die Libanesen haben mich immer wieder gelehrt, wie man am Leben bleiben kann: triff eine Entscheidung – irgendeine Entscheidung - aber tu nicht nichts. So entwand ich die Tasche zurück aus den Händen des jungen Mannes, der sie hielt. Er trat zurück. Dann drehte ich mich zu dem Mann auf meiner Rechten, der den blutigen Stein in seiner Hand hielt und schlug meine Faust in seinen Mund. Ich konnte nicht sehr viel sehen - meine Augen waren ohne meine Brille nicht nur kurzsichtig, sondern von einem roten Dunst getrübt - aber ich sah den Mann so was wie husten und einen Zahn von seinen Lippen fallen, und dann fiel er zurück auf die Straße. Für eine Sekunde blieb die Menge stehen. Dann wandte ich mich zu dem anderen Mann, hielt meine Tasche unter meinem Arm fest und knallte meine Faust in seine Nase. Er brüllte vor Wut, und plötzlich wurde alles Rot. Ich verfehlte einen andern Mann mit einem Schlag, traf jemand anders ins Gesicht und lief. Ich war zurück in der Mitte der Straße, konnte aber nicht sehen. Ich brachte meine Hände vor meine Augen, sie waren voll Blut, und mit meinen Fingern versuchte ich, das weiche Zeug wegzureiben. Es machte ein saugendes Geräusch, aber ich begann wieder zu sehen und merkte, dass ich schrie und weinte, und dass die Tränen meine Augen vom Blut reinigten. Was hatte ich getan, fuhr ich fort, mich zu fragen? Ich hatte afghanische Flüchtlinge geschlagen und angegriffen, gerade die Menschen, über die ich solange geschrieben hatte, die enteigneten, verstümmelten Menschen, die mein eigenes Land - neben anderen – im Begriff war zu töten, samt den Taliban, auf der anderen Seite der Grenze. Gott vergib mir, dachte ich. Ich glaube, dass ich es tatsächlich sagte. Die Männer, deren Familien unsere Bomber töteten, waren jetzt auch meine Feinde.
Dann geschah etwas ziemlich Bemerkenswertes. Ein Mann ging zu mir, sehr ruhig, und nahm mich am Arm. Ich konnte ihn kaum sehen bei all dem Blut, das in meine Augen lief, aber er war in einer Art Robe gekleidet, trug einen Turban und hatte einen weißgrauen Bart. Und er führte mich von der Menge weg. Ich schaute über meine Schulter. Es waren jetzt hundert Männer hinter mir, und einige Steine rutschten die Straße entlang, aber sie waren nicht auf mich gezielt – vermutlich um zu vermeiden, den Fremden zu treffen. Er war wie eine Figur aus dem alten Testament oder einer Bibelgeschichte, der barmherzige Samariter, ein moslemischer Mann - vielleicht ein Mullah im Dorf - der versuchte, mein Leben zu retten. Er schob mich hinten in einen Polizeilastwagen. Aber die Polizisten bewegten sich nicht. Sie erschraken. „Helfen Sie mir“, fuhr ich fort, durch das winzige Fenster auf der Rückseite ihrer Kabine zu schreien, wobei meine Hände Ströme von Blut auf dem Glas hinterließen. Sie fuhren einige Meter und blieben stehen, bis der große Mann mit ihnen wieder sprach. Dann fuhren sie noch 300 Meter.
Dort an der Straße stand ein Roter-Halbmond-Konvoi. Die Menge war immer noch hinter uns. Aber zwei der medizinischen Helfer zogen mich hinter eins ihrer Fahrzeuge, gossen Wasser über meinen Händen und mein Gesicht und begannen Verbände um meinen Kopf und Gesicht und meinen Hinterkopf zu legen. „Legen sich hin, wir bedecken Sie mit einer Decke, damit sie Sie nicht sehen können“, sagte einer von ihnen. Sie waren beide Moslems, Bangladescher, und ihre Namen sollen aufgezeichnet werden, weil sie gute Männer waren und aufrichtig: Mohamed Abdul Halim und Sikder Mokaddes Ahmed. Ich lag stöhnend auf dem Boden, überzeugt, dass ich leben werde. Innerhalb von Minuten kam Justin. Er wurde von einem stämmigen Soldaten der Baluchistan-Truppen beschützt - einem wahren Geist des britischen Imperiums, der mit einem einzigen Gewehr die Mengen vom Auto weghielt, worin Justin jetzt saß. Ich fummelte an meiner Tasche herum. Sie haben die Tasche nicht bekommen, sagte ich mir ununterbrochen, als ob mein Reisepass und meine Kreditkarten etwas wie ein heiliger Gral wären. Aber sie hatten meine letzte Ersatzbrille – ich war blind ohne alle drei – und mein mobiles Telefon fehlte ebenso wie mein Adressbuch, das die Telefonnummern von 25 Jahren überall im Nahen Osten enthält. Was sollte ich tun? Gottverdammt, sagte ich und versuchte, mit meiner Faust auf meine Seite zu schlagen, bis ich merkte, dass sie von einer großen klaffenden Wunde am Handgelenk blutete - ein Mal des Zahns, den ich gerade aus dem Kiefer eines Mannes herausgeschlagen hatte, eines Mannes, der wahrlich an jedem Verbrechen, außer dem, das Opfer der Welt zu sein, unschuldig war. Ich hatte mehr als zweieinhalb Jahrzehnte damit verbracht, über die Demütigungen und das Elend der moslemischen Welt zu berichten, und jetzt hatte mich ihr Zorn auch umarmt. Wirklich? Da waren  Mohamed und Sikder vom Roten Halbmond und Fayyaz, der zurück zum heißgelaufenen Auto kam, und Amanullah, der uns für die ärztliche Behandlung in sein Haus einlud. Und es gab den moslemischen Heiligen, der mich am Arm genommen hatte. Und - ich realisierte - es gab alle die afghanischen Männer und Jungen, die mich angegriffen hatten, was sie nie hätten tun sollen, aber deren Brutalität ganz und gar das Produkt von anderen war, von uns - von uns, die wir ihren Kampf gegen die Russen bewaffnet und ihren Schmerz ignoriert und über ihren Bürgerkrieg gelacht hatten, und sie dann bewaffneten und bezahlten für den „Krieg für Zivilisation“, nur einige Meilen entfernt, und dann ihre Häuser bombardierten und ihre Familien zerrissen und das „kollaterale Schäden“ nannten. Also dachte ich, sollte ich darüber schreiben, was uns bei diesem furchtbaren, albernen, blutigen, winzigen Vorfall widerfuhr. Ich fürchtete, dass andere Versionen einen andern Hergang schildern könnten, wie ein britischer Journalist „von einem Mob afghanischer Flüchtlinge zusammengeschlagen“ wurde. Und das ist natürlich der Punkt. Die Leute, die angegriffen wurden, waren die Afghanen, die Narben wurden ihnen von uns zugefügt, von B-52-Bombern, nicht von ihnen selbst. Und ich sage es wieder. Wenn ich ein afghanischer Flüchtling in Kila Abdullah wäre, hätte ich genau das getan, was sie taten. Ich hätte Robert Fisk angegriffen. Oder jeden anderen Abendländer, den ich finden könnte.

Dieser Text wurde von Michael Albert, Herausgeber des Z-Magazins im Dezember 2001 veröffentlicht. Übersetzung: Herrmann Cropp
© telegraph. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des telegraph


From: Silvia Feist 21.1.2002
Subject: Angst vor Klonen reaktionär

Hallo zusammen,
 
dachte, der Debattenbeitrag aus der taz von heute interessiert Euch vielleicht. Wenn Ihr wollt, kann ich etwaige Kommentare an den Autoren weiterleiten.
 
Beste Grüße,
Silvia

Irrationale Horrorvorstellung

Klonen von Menschen? Das darf nicht sein! Da sind sich auch Linke einig. Aber ihre Argumente gegen die Genkopien sind untauglich - nämlich biologistisch und reaktionär

Beim Klonen kompletter Menschen zeichnet sich ein breiter Konsens ab: Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt es als Horrorvorstellung intuitiv ab. Dieser Konsens fehlt allerdings bei der medizinischen Verwendung von Stammzellen. Neben radikalen Kritikern finden sich hier auch viele Befürworter; während etwa Justizministerin Däubler-Gmelin gegen einen Import ist, wirbt Wissenschaftsministerin Bulmahn dafür, dass der Bundestag einer Einfuhr am 30. Januar zustimmt. Dass die Nutzung von Stammzellen nicht ebenfalls prinzipiell verdammt wird, ist erstaunlich, handelt es sich doch um eine Vorstufe des Klonens.

Für Skepsis gegenüber der Stammzellenforschung und das menschliche Klonen gibt es durchaus rationale Gründe: Insbesondere die Heilsversprechen für chronisch Kranke sind leicht zu entlarven, seit Anfang der 90er-Jahre mit identischen Argumenten die Gentherapie promotet wurde, in die heute niemand mehr einen Cent investieren würde. Dennoch: Die Breite der gesellschaftlichen Ablehnung des Klonens deutet an, dass die Gründe hierfür zumindest sehr heterogen sein dürften. Es lohnt sich, genauer hinzuhören.

Die zahlenmäßig größte Fraktion dürfte sich dem klerikalen Standpunkt anschließen - wenn auch womöglich seltener gottgewollt als naturgegeben. Für beide ist das Herstellen von genetisch identischen Kopien eines Menschen ein Verbrechen gegen die zivilisatorische Tradition, wobei es gleichgültig ist, ob der Gott dreifaltig ist oder Darwin heißt. Es bleibt anzumerken, dass diese Ablehnung weniger monotheistisch als vielmehr christlich begründet ist. So befürworten einige orthodoxe jüdische Thoragelehrte explizit das Klonen als (bislang theoretische) Form der menschlichen Vermehrung, allerdings nur bei Unfruchtbarkeit, da es einer künstlichen Befruchtung vorzuziehen sei. Warum? Die künstliche Befruchtung riskiert einen zufälligen Inzest, der als schwere Sünde gilt - und der auch aus moderner medizinischer Perspektive in der Tat vermieden werden muss: Inzucht erhöht das Risiko für angeborene Erkrankungen erheblich, wie sich bis heute in zahlreichen seitenastfreien Familienstammbäumen im (christlichen) Süden der USA anschaulich betrachten lässt.

Das strategisch größte Gewicht hat derzeit die Fraktion der Molekularbiologen, die das Klonen von Menschen mehr schlichter- als schlechterdings für unmöglich halten. Wortführer dieser Gruppe ist derzeit Rudolph Jaenisch, dessen Forschungsgruppe nördlich von Boston eindrucksvoll nachweisen konnte, dass ein Mechanismus namens "Epigenetic Silencing" in der Lage ist, lebenswichtige genetische Informationen nach einer bestimmten Lebensspanne der Zelle abzuschalten. Dies führt dazu, dass menschlichen Klonen nach kurzer Zeit zahlreiche genetische Informationen fehlen würden, die ein natürlich entstandenes Kind noch hätte - Konsequenz für den fötalen Klon: dead on arrival. Unfreiwillige Unterstützung erhalten solche Forschungsresultate durch Ian Wilmut, den Schöpfer des Klonschafes Dolly, der eingestehen musste, dass hunderte seiner Anläufe zuvor erfolglos verlaufen sind. Insgesamt aber sind diese technischen Facts offensichtlich ungeeignet, eine prinzipielle Ablehnung des Klonens abzuleiten. Wie die meisten bisherigen Probleme der molekularen Medizin wird auch dieses irgendwann lösbar sein.

Damit bleibt die Ablehnung des Klonens aus emanzipatorischer oder linker Perspektive. Analysen aus feministischer Tradition basieren auf der Selbstbestimmtheit des weiblichen Körpers, welche künstliche Befruchtung (IVF) und vorgeburtliche Diagnostik ebenso ablehnt wie die Reduktion der Frau zur maschinengleichen Gebärmutter eines beliebigen Embryos. Diese in sich schlüssigen Analysen lassen offen, ob es ebenso verwerflich sein würde, einen Klon anstelle eines (genetisch natürlich zusammengesetzten) IVF-Embryos auszutragen. Wenn ja, warum? Insgesamt bietet die feministische Theorie wenig Hilfe, was die Bewertung menschlicher Klone angeht.

Sie beruht - wie überhaupt das Unbehagen progressiver Menschen angesichts von Klonen - unausgesprochen auf der Annahme, dass es sich um exakte Kopien eines Individuums handeln würde. Diese Annahme ist zutiefst biologistisch und reaktionär. Nehmen wir an, ein visionärer Berliner Mitbürger und Nationalsozialist hätte 1945 einige Zellen des sterbenden Herrn Hitler an geheimen Orte asserviert. Diese Zellen würden heute von der Firma Advanced Cell Technologies, die kürzlich die erfolgreiche Erzeugung von menschlichen Klonen meldete, für eine genetisch identische Kopie des Zellspenders verwendet. Eine typischerweise unzureichend informierte Leihmutter würde den Klon austragen und im trauten Kreise einer amerikanischen Ostküstenfamilie aufziehen. Wer nähme ernsthaft an, dass dieses Kind eine vergleichbare Biografie wie Hitler haben würde? Es hätte womöglich äußerliche Ähnlichkeit mit ihm, wobei selbst hier anzunehmen ist, dass Little Adolf deutlich übergewichtig und mindestens einen Fuß länger wäre als sein genetischer Vorfahre. Ansonsten würde er J. Lo besser als Mary J. leiden können und nach der Highschool wahrscheinlich Aufenthaltsanträge von hispanischen Einwanderern auf irgendeiner Behörde in Massachusetts wenig zuvorkommend bearbeiten. Er könnte auch in die SM-Szene von Washington, D. C., abwandern und dort Dick Cheney beim nächsten Herzanfall zusehen. Wie auch immer, das genetische Material des Klons bestimmt in keinem Fall seine Biografie.

Die Ablehnung von geklonten Menschen beruht wesentlich auf der Annahme, dass das Leben eines jeglichen Menschen genetisch vorbestimmt sei. Diese Annahme ist nicht nur politisch bekämpfenswert, sondern wissenschaftlicher Unfug. Zweifelsfrei gibt es Eigenschaften, die ausschließlich genetisch determiniert, also vererbt sind. Dazu gehören etwa die Augenfarbe oder im weiteren Sinne die Hautfarbe. Doch das meiste ist von zahlreichen Umweltfaktoren abhängig. Wissenschaftlich hilfreich sind Untersuchungen von eineiigen Zwillingen (sozusagen natürliche Klone), die getrennt aufgewachsen sind. Lediglich im Aussehen ähneln sich diese Menschen häufig stark; ansonsten zeigen sich bei derart getrennten Zwillingen gelegentlich ähnliche Interessen oder andere Parallelen, keinesfalls liegen jedoch Replikanten der jeweilig anderen Persönlichkeiten vor. Die soziale Entwicklung des Menschen ist eben nicht genetisch determiniert, sondern eine permanent modifizierende Interaktion mit der persönlichen Umwelt.

Insgesamt basiert die progressiv formulierte Ablehnung von menschlichen Klonen auf der Annahme, sich selbst nicht wiederholen zu dürfen. Dies bedeutet zwangsläufig, dass wir das fremdbestimmte Dasein akzeptiert haben, da wir ohnehin keine Kontrolle darüber mehr haben, sondern lediglich dem Ruf unserer Gene folgen. Wer dies annimmt und unterstützt, hat ausreichend Grund, menschliche Klone abzulehnen - schon angesichts des drohenden Fortbestands der eigenen erbärmlichen Existenz. Wer nicht, braucht bessere Gründe.

MICHAEL RISTOW


From: M.Artin
Subject: Meta-Diskussion?

Was bleibt von einem Diskussionsforum, wenn es sich nicht
hinterfragen laesst? Welche Form nimmt eine Diskussion an, die auf
begruendete, kritische Fragen mit Zynismus oder gar nicht reagiert? Nach
einer angemessenen Wartezeit moechte ich einige Punkte zusammenfassen:
A. (ad K. Pruestel): Wir hinterfragen die Berechtigng einer
Islam-Diskussion in diesem Forum, die auf Grund (a) wohlinformierter,
aber dennoch klischeehafter Vorstellungen vom Islam, (b) dem implizten
Ausschluss dieser Positionen aus der Diskussion und (c) der Tendenz zur
intellektualisierender Selbstweihraeuchung, keine Antworten liefern
kann.
B. (ad N. Boeing, 3. Dez): Einen diskursiven Schlagabtausch
grundsaetzlich als konstruktiv zu definieren erscheint mir zu verkuerzt.
Der Stand der Gesamtdiskussion, wonach du fragst, verkuerzt sich m. E.
auf die Rezitation laengst bekannter, gefaelliger Positionen.
C. (ad N. Boeing) Die "drei Fragen" lassen sich, ihrer Fragestellung
nach inhaltlich nicht aufloesen:
- Wie gehen Nicht-Moslems kuenftig mit dem Islam um: Was
bedeutet diese Negation? Weshalb verschanzt sich der Fragende dahinter?
Gibt es den Nicht-Moslem als solches?
- Was können wir legitimerweise von Moslems fordern - im Alltag
in Deutschland und in den islamischen Ländern: Diese Frage eruebrigt sich
dadurch, dass damit moralische Forderungen in den Raum gestellt werden,
die offensichtlich unreflektiert vor die eigenen Interessen gestellt
werden. Kann man da nicht fragen: Was kann man legitimerweise von dir
fordern - im Alltag in Deutschland und in den islamischen Laendern? Oder
habe ich die urspruengliche Frage unberechtigterweise rassistisch
interpretiert?
- Müssen alle mörderischen Regime unter islamischer Flagge
gewaltsam gestürzt werden? Wenn nein, bis zu welchem Grade toleriert
man sie?: Gerade in dieser Frage offenbart sich die Voreingenommenheit
der hier gefuehrten Diskussion. Moerderisch, Regime, Flagge, Stuerzen...
Verderben wird implizit als Loesung angeboten. Wie unreflektiert fuer
km21...
D: Natuerlich kann man sich: Hinter einer Diskssion verstecken!
Viele Gruesse und Mut zum Umdenken wuenscht,
M.Artin


From: J. LANGER 14.12.2001
Subject:Aufruf von DDR-Bürgerrechtlern


http://www.wir-haben-es-satt.de/


From: Franz Cong Bui, 9.12.2001
Subject: mal wieder ein link etwas abseits der aktuellen diskussionen

Hi,
wen immer es interessieren mag: eine ganz interessante Zusammenstellung von
Texten zu Journalismus in Zusammenhang mit dem Terrorismus seit dem 11.
September findet Ihr unter http://www.poynter.org/terrorism/

Schönen Sonntag
Franz


From: Niels Boeing, 6.12.2001
Subject: Antw: Re: 3 fragen

Am Mittwoch, 5. Dezember 2001 schrieb Knut Stahrenberg

>Hallo,
>
>hey Niels, zu Deiner dritten Frage/Antwort bzgl. des Umsturzes aller
>moerderischen islamischen Regime (und deren Ersetzung durch - westlich
>gepraegte - demokratische Strukturen): Ich bin sehr skeptisch, wenn es
>darum geht unsere Ideen auf andere Kulturen zu uebertragen.Welche
>"oppositionellen, demokratischen Gruppen" gibt es denn zB in
>Saudi-Arabien? Du scheinst Dich den Positionen des amerikanischen
>Pragmatikers Richard Rorty anzunaehern ;-), der vor ein paar Tagen auf die
>Frage "Dialog der Kulturen statt Bomben" sagte:
>
>"Ich verspreche mir nichts von einem solchen Dialog. In den zwei
>Jahrhunderten seit der Franzoesischen Revolution ist in Europa und Amerika
>eine saekulare und humanistische Kultur gewachsen, in der viele
>gesellschaftliche Ungleichheiten beseitigt wurden. Es gibt noch viel zu
>tun, aber der Westen ist grundsaetzlich auf dem richtigen Weg. Ich glaube
>nicht, dass er von anderen Kulturen etwas zu lernen hat. Unser Ziel sollte
>es viel mehr sein, den Planeten zu verwestlichen."
>(SZ vom 20.11.2001)

den letzten beiden sätzen kann ich nicht zustimmen. ich glaube, du hast zu viel in meine antwort zu frage drei hineingelesen.
ich bin dafür, dass der westen für seine säkulare und humanistische kultur wirbt. aber, wie gesagt, er soll sie nicht erzwingen. wenn andere kulturen eigene wege finden, die mit den menschenrechten verträglich sind, ist das völlig in ordnung. natürlich könntest du jetzt argumentieren, die menschenrechte seien ja gerade produkt der westlichen aufklärung. jein. die hinterlist der menschenrechte, wie sie in der allgemeinen erklärung von 1948 und folgejahren aufgeführt sind, besteht darin, dass eben auch viele soziale rechte drin stehen, die mit dem westlichen individualismus nicht erklärbar sind (china nimmt diese gerne für sich in anspruch) und westlichen ländern seit jeher schwierigkeiten machen.

ciao, nbo


From: Knut Stahrenberg, 5.12.2001
Subject: Re: 3 fragen

Hallo,
hey Niels, zu Deiner dritten Frage/Antwort bzgl. des Umsturzes aller
moerderischen islamischen Regime (und deren Ersetzung durch - westlich
gepraegte - demokratische Strukturen): Ich bin sehr skeptisch, wenn es
darum geht unsere Ideen auf andere Kulturen zu uebertragen.Welche
"oppositionellen, demokratischen Gruppen" gibt es denn zB in
Saudi-Arabien? Du scheinst Dich den Positionen des amerikanischen
Pragmatikers Richard Rorty anzunaehern ;-), der vor ein paar Tagen auf die
Frage "Dialog der Kulturen statt Bomben" sagte:
"Ich verspreche mir nichts von einem solchen Dialog. In den zwei
Jahrhunderten seit der Franzoesischen Revolution ist in Europa und Amerika
eine saekulare und humanistische Kultur gewachsen, in der viele
gesellschaftliche Ungleichheiten beseitigt wurden. Es gibt noch viel zu
tun, aber der Westen ist grundsaetzlich auf dem richtigen Weg. Ich glaube
nicht, dass er von anderen Kulturen etwas zu lernen hat. Unser Ziel sollte
es viel mehr sein, den Planeten zu verwestlichen."
(SZ vom 20.11.2001)
Den letzten Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Knut


From: Hanssen, Peter, 5.12.2001
Subject: Dschibuti warum???

Was ist denn das? Hab ich hier auf der Insel was verpasst...

Dschibuti (dpa) - Eine deutsche Militärdelegation bereitet nach Angaben eines Regierungsvertreters aus Dschibuti die Stationierung von Bundeswehrsoldaten am Horn von Afrika im Januar vor. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums erklärte dazu, dass ein "Erkundungstrupp" in Dschibuti ist, um eine mögliche Operation zu prüfen. Einzelheiten zur operativen Planung wollte er nicht geben.
Westliche Diplomaten in Nairobi gehen davon aus, dass in dem an Dschibuti
angrenzenden Somalia ein US-Militärschlag bevor stehe...

PETE


From: Moritz Avenarius, 3.12.2001
Subject: Antworten auf Niels drei Fragen

Zu 1. + 2. ("Wie sollen wir nicht-Moslems mit Moslems umgehen + was können
wir von moslems legitimer Weise fordern"):
Beide Fragen erachte ich als nicht sehr kontrovers, zumal ich meine, dass
für beide die selbe Antwort ausfällt UND das diese Antwort dieselbe ist im
Prinzip wie auch vor dem 11.Sept, da hat sich nix geändert:
Wir sollten offen, tolerant und respektvoll mit ihnen umgehen und den selben
Umgang von Ihnen vordern, wenn sie hier in Deutschland leben. Aber das
erwarte ich von jedem, der hier lebt, egal welcher Religion/Weltanschauung
er/sie anhängt (und natürlich das Grundgesetz und die hiesige Rechtsprechung
akzeptiert,undsoweiter ...).
Wesentlich spannender finde ich Frage 3., weil Sie auf Interventionen
zwischen Staaten abzielt. Wenn es nach mir ginge, wäre ich radikal dafür,
das die UNO als quasi Weltordnungsmacht die Vollmacht unnd militärische
Macht hätte, Demokratie und Freiheit überall auf der Welt durchzusetzten.
Aber das ist vorläufig illusorisch, denn selbst die letzte Supermacht USA
hat ja genug Dreck am Stecken in der eigenen Innenpolitik. Ganz abgesehen
davon, dass auch die anderen verbliebenen Schwergewichte wie CHina oder
Russland sich nicht intern reinreden lassen werden wollen (gleiches gilt für
die neuen geopolitischen Aufsteiger wie Indien oder Pakistan). Kritisch voe
allem auch die Grenzziehung, ab welcher Grenze eingegriffen wird. Weil es ja
wohl derzeit meine ich weltweit mehr Diktaturen als Demokratische Staaten
gibt (?). Also dann fürs erste doch nur bei den ganz schlimmen
Peinigern/Schlächtern (ganz unabhängig von der Religion/Weltanschauung),
aber wonach wird das festgelegt?

fragt sich Moritz


From: Niels Boeing, 3.12.2001
Subject: 3 fragen/ zu martin und x

weil diese fragen vielleicht untergegangen sind am ende meiner letzten mail, hier noch einmal das, worüber wir KONKRET reden sollten (in anlehnung an christian mahnung, die ersten antworten zu suchen und nicht hinten anzufangen):
1. wie gehen nicht-moslems künftig mit dem islam um?
2. was können wir legitimerweise von moslems fordern - im alltag in deutschland und in den islamischen ländern?
3. müssen alle mörderischen regime unter islamischer flagge gewaltsam gestürzt werden? wenn nein, bis zu welchem grade toleriert man sie?
meine ersten antworten:
1. der islam ist mir egal. ich lebe in einem säkularen staat, und was mich interessiert, sind nur taten. sonst nichts. wenn einer seine frau verprügelt, kann man ihn anzeigen. so wie man das bei jedem anderen schläger tun könnte.
2. das grundgesetz einzuhalten. sonst nichts.
3. a) wenn das gegenwärtige afghanistan-programm konsequent sein soll, müssten sie alle gestürzt werden. ich bin zum beispiel sehr dafür, dass das saudische königshaus durch eine parlamentarische demokratie ersetzt wird. wie ich gehört habe, spielen die amis durchaus mit dem gedanken eines putsches in riad.
b) in meiner ablehnung des afghanistan-programms bin ich dagegen, diese umstürze mit gewalt durchzuführen. das beste ist eine massive finanzielle unterstützung oppositioneller demokratischer gruppen und ein verzicht auf z.b. saudisches öl (würde ganz nebenbei der umwelt nutzen, wenn wir deswegen auf erneuerbare energien umsteigen müssen).

ciao, niels
-----------------------------------

PS: noch ein paar worte zu den mails von martin, matthias und x...
1. zu martin, x:
martin schrieb:
>In dieser Form äußert sich nämlich
>auch meine Intention: Bei dieser Frage direkt und möglicherweise etwas
>unhöflich zu werden nehme ich mir gerne heraus, um mich (bzw. besser: meine
>Position) von dem mainstraem der Diskussion bewusst abzuheben.
den mainstream der diskussion musst du mir mal zeigen. wir haben hier seit wochen verschiedene stränge, die erbittert kontrovers diskutiert werden, von radikalpazifismus bis hin zu realpolitik, über islam und lebensstile, frauenpolitik, kosmologie... nur von dir habe ich bisher nur meta-beiträge gelesen. ich weiß immer noch nicht, worum es dir geht.
>Viel wichtiger als diese theoretische Begründung finde ich aber deine
>Reaktion! Spätestents jetzt kann man eine Konstruktivität für die
>Gesamtdiskussion nicht mehr "wegdiskutieren".
ich finde den schlagabtausch, den einige von uns seit der bundestagabstimmung hatten, konstruktiv. aber bitte, martin, hilf mir auf die sprünge: was ist der stand der gesamtdiskussion, was genau konstruktiv an xs beitrag - und was sind deine KONKRETEN antworten auf die 3 fragen oben? erzähl bitte nicht, die fragen wären wieder nicht relevant oder mainstream oder was weiß ich? zuhören und diskutieren bedeutet auf positionen anderer einzugehen und nicht darüber hinweg zu reden.
x schrieb:
>> Zum Forum an sich - sicher ist es eins "Privilegierter", was sonst. Heißt
>> nicht, es sich deshalb erübrigt. Aber, mitnichten, der Westen macht es
>> sich - ob gewollt oder nicht - hier manchmal einfach (ich mir jetzt auch) -
>> ich glaube z.B. nicht, den Islam hier, auf der Grundlage von Beiträgen von
>> auschließlich Nicht- Moslems (wie mir scheint), wirklich diskutieren zu
>> wollen, davon abegsehen, daß ich bislang in keinem muslimischen Land war
>> usw. usf. Da lese ich lieber was, als hier rumzudiskutieren.
es soll menschen geben, die machen beides. x, wir diskutieren hier doch, weil sich einige von uns kennen. nicht um des diskutierens willen.
2. meine antwort auf martin x ersten beitrag:
du widersprichst dir: zum einen schreibst du
>> > M. E. erschoepft sich die hier (km21) gefuehrte Diskussion (incl.
>> > aller kritischen und Gegen-Beitraege) in dem Versuch, die eigene
>> > selbstgefaellige Position darzustellen.
und dann heißt es (völlig richtig):
>> > Ist es denn (gerade jetzt) nicht notwendig, erst einmal seine eigene
>> > Position ERNSTHAFT zu reflektieren, und sich selbst einmal zu fragen, ob
>> > diese eigene Position haltbar (oder ueberhaupt noetig) ist:
ich für meinen teil kann dir sagen, dass alles, was ich hier auf dieser liste schreibe, genau teil dieser ERNSTHAFTEN reflexion ist. vielleicht ist es nicht schlau genug, mag sein. aber ernsthafter geht's für mich nicht.
es sei denn, du bezeichnest alles als selbstgefällig = nicht ernsthaft, was nicht deinem denken entspricht. hinter deiner ausdrucksweise erkenne ich die alte diskursive figur, dass einer, der nicht meiner meinung ist, die sache doch noch nicht verstanden hat - sonst würde er doch meiner meinung sein.
>> > Welchen
>> > parasitaeren Nutzen habe ich aus "Afghanistan Bombing"? Usw. Eine
>> > grundsaetzliche Diskussion verliert hier ihre Berechtigung dann, wenn
>> > ihr Ergebniss (bestenfalls) eine gelungene Interpretation des Ist
>> > bleibt (was uebrigens so gut wie bei allen km21-Beitraege der Fall ist,
>> > ohne boese zu werden).
vielleicht hattest du nicht genug zeit, alle beiträge zu lesen, aber ich habe hier vor längerem angeregt, der erkenntnis taten folgen zu lassen. etwa an einer neuen europäischen friedensbewegung mitzuarbeiten. es ist aber niemand darauf eingegangen, auch du nicht.
>> > Gehen diese Diskussionen ueberhaupt ans "Eingemachte", in dem Sinne,
>> > dass die Einsicht in die diskursiven Ergebnisse ueberhaupt eine
>> > Veraenderung im eigenen Handeln bewirkt/bewirken kann... Oder -
>> > entschuldigt meine Ausdrucksweise - bleib es beim intellektuellen
>> > Herumgewichse? Oder nicht (wieder leider nicht)?
das liegt an uns allen. was ist dein vorschlag, das zu ändern?


From: x 30.9.2001
Subject: Re: Re: ad Gewaltlosigkeit

Guten Abend, Matthias, Martin & Co....

lieber Himmel, wie ernst... Sich über das Forum der Diskutierenden erheben,
endlich, kann ich nur sagen, auch wenn das quergeschossen und nicht
"konstruktiv" auf die bemühten Teilnehmer wirkt... Ich jedenfalls habe bei
einigen Beiträgen schwer mit den Augen blinzeln müssen und mich gefragt, was
das soll... bislang nicht geschrieben, weil ich in dieser Liste in bezug auf
die angesprochenen Themen sicher am ahnungslosesten bin.
Aber: Wenn ich den Artikel lese, in dem es zum Beispiel um den toten
Journalisten geht, den ich nicht gut aber ein wenig kannte und lesen muß,
daß da ganz schnell wieder jemand dabei ist, das intellektuell auf die Reihe
kriegen zu wollen ("fehlende Distanz zum Gegenstand" usw.) dann ist das
genau das, was ich am Diskurs, der hierzulande eben manchmal
"selbstgefällig" daherkommt, abartig finde. Dieses Ding, immer sofort alles
ausschlachten und "ver-/ bewerten" zu müssen, weil's so schön zum dem paßt,
dessen man sich ohnehin klar ist... Die Massenmedien... dieser ganze
Diskurs. Daß Leute, die sowas schreiben, einen Satz wie "Ich mußte sie
einfach lieben" (Handloik über eine Journalistin) nicht kapieren, ist mir
völlig klar. (Und genau das fehlt hier und sagt mir, daß sich in diesem
Land - vielleicht zu oft - Leute melden, die eben nicht in der Form
unterwegs waren wie besagter Journalist, und dann kommt sowas raus wie "Die
Kriegsberichterstattung übernimmt die Kriegsführung"... das halte ich dann
für Gewichse, pardon.)
Aber das ist inzwischen nicht mehr aktuell. (Und da setzt bei mir
Nachdenklichkeit ein.). - Ich will nicht soweit gehen, den Artikel, auf den
ich mich hier beziehe, als "beispielhaft" anzuführen. Das wäre erbärmlich,
davon abgesehen, ist es kein Thema, das mir leicht fällt.
Aber vielleicht illustriert es wenigstens etwas den Zweifel an dieser Art
von "Intellektualität", die oft weit weg scheint, gerade in bezug auf diesen
Krieg (den manchmal vielleicht doch ein archaischer Ausdruck wie
"Vernichtung" nicht am Schlechtesten beschreibt. Was sich auch anfügen
läßt...)
Neben dem (ein kleiner Nachsatz, aus dem Zusammenhang gerissen) habe ich im
Jahr 2001 keinen Gedanken für die Grünen übrig - entsetzen tun mich andere
Dinge. Die Grünen... meine Güte. Das ausklambüsern würde mir nicht im Traum
einfallen, da schließe ich mich M. m. von der Machart nur zu gern an.
Zum Forum an sich - sicher ist es eins "Privilegierter", was sonst. Heißt
nicht, es sich deshalb erübrigt. Aber, mitnichten, der Westen macht es
sich - ob gewollt oder nicht - hier manchmal einfach (ich mir jetzt auch) -
ich glaube z.B. nicht, den Islam hier, auf der Grundlage von Beiträgen von
auschließlich Nicht- Moslems (wie mir scheint), wirklich diskutieren zu
wollen, davon abegsehen, daß ich bislang in keinem muslimischen Land war
usw. usf. Da lese ich lieber was, als hier rumzudiskutieren.
Ebensowenig, wie ich auf Demos gehe - weil's so einfach nicht ist - habe ich
das Verlangen, zu allem was zu sagen oder mir anzuhören und genau das kann
nerven.

Salute,

x


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