eine kurze chronik des kolonialismus bis zum 2. weltkrieg
Niels Boeing, Berlin, Februar 1993

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vor 1800 Lateinamerika
Kolonialzeit. Spanier und Portugiesen zerstören die alten Hochkulturen: Zwischen 1519 und 1650 kommen ca. 85 % der Urbevölkerung um. Oberschicht: Peninsulares (Europäer) und Kreolen (in Lateinamerika geborene Europäer). Außenhandel ausschließlich mit dem jeweiligen Mutterland. Landwirtschaft: Monokulturen (Zucker, Kaffee, Kakao, Bananen... ); Verschleppung von versklavten Afrikanern als Landarbeiter.
Naher Osten
Präkoloniale Zeit. Osmanisches Reich sowie kleinere Reiche und Fürstentümer in Nordafrika.
Sub-Sahara-Afrika
Präkoloniale Zeit. Verschiedene Kulturen mit unterschiedlichen Gesellschaftsformen: statische kastenartige Hierarchien im Norden; Stammesstrukturen im Westen; dörfliche Strukturen im Osten. Beginn des Sklavenhandels: an der Westküste durch Europäer, an der Ostküste durch Araber und Inder. Aufwertung der Küstengebiete durch europäischen Handel, Niedergang der Handelsrouten in der Sahara.
Südliches Afrika
Präkoloniale Zeit. Dünne Besiedlung, dann Siedlung von Bantustämmen aus dem Norden. Abbau und Verarbeitung von Gold und Kupfer, Handel mit Ostafrika. Portugiesen und Niederländer lassen sich entlang der Küste nieder, beginnender Sklavenhandel. Vertreibung der San ("Buschmänner") in die Kalahari. Verschleppung von Sklaven aus Indien und Malaysia wegen Arbeitskräftemangel im Süden.
Süd- und Südostasien
Präkoloniale Zeit. Aktivitäten von Handelskompanien verschiedener europäischer Mächte. In Indien nicht-zentralistische Reiche und Fürstentümer, in Südostasien zentralistische Reiche mit konfuzianischer Beamtenschaft und Landadel (Vietnam) nach chinesischem Vorbild. Landwirtschaft in Indien: System der Bagirdari und Zamindari, von den Moghulen errichtet.
Ostasien
Japan: Völlige Isolation von der Außenwelt. Allmählicher Verfall des Shogunats. Hohe Verschuldung der Samurai für ihren Lebensstil. Auf dem Land Armut und Mißernten; Inflation. China: Autoritäres, dezentralisiertes Kaiserreich. Entwickelte, riesige Bürokratie; starkes Bevölkerungswachstum (1800: 300 Mio), technologische Stagnation. Starker Gegensatz Stadt-Land. Landbesitz bedeutet Macht, ist auf wenige Familien konzentriert. Interessant: Im 17. Jh. gilt die europäische Intelligenz noch als kulturelles Vorbild.
vor 1800
ca. 1800 bis 1870 Lateinamerika
Um 1800 Unabhängigkeitskriege der konservativen Kreolen. Keine wesentliche Veränderung der Gesellschaftsstruktur. Zerfallsprozeß des spanischen Gebiets in verschiedene Staaten, ausgehend von den Zentren Caracas, Lima, Buenos Aires. Verhinderung einer Blockbildung von innen und außen. Beginnender Informal Imperialism durch Großbritannien in Süd- sowie der USA in Mittelamerika. Weitere Konzentration des Grundbesitzes.
Naher Osten
Informal Imperialism durch Großbritannien und Frankreich in Nordafrika, der Rest gehört zum Osmanischen Reich. Algerien wird französische Kolonie. Anfänge einer Industrialisierung in Ägypten, von Großbritannien unterbunden, stattdessen Errichtung einer Baumwollmonokultur. Aufkommender Panarabismus. Allmähliche Zerstörung des traditionellen Handwerks durch europäische Industrieproduktion.
Sub-Sahara-Afrika
Informal Imperialism durch die Europäer. Vordringen von den Küsten ins Binnenland. Handel von Industrieprodukten gegen Rohstoffe. Einheimische Fürsten und Stammeshäuptlinge werden zur Anerkennung der europäischen Interessen gezwungen. Einteilung der Einflußsphären unabhängig von ethnischen Gebieten, willkürlich. Ebenfalls Zerstörung des Handwerks.
Südliches Afrika
Besiedlung leerer Landstriche und Kolonialzeit. Um die Afrikaner gegen die Buren auszuspielen, erhalten jene 1828 von den Briten die gleichen Rechte wie die Weißen, 1833 vorübergehend die Freiheit. Buren gründen eigene Staaten. In den portugiesischen Gebieten (Mosambik und Angola) Plantagenwirtschaft mit Zwangsarbeit, Monokulturen. Im Gebiet Rhodesiens und in Südafrika Bergbau sowie Plantagenwirtschaft. Ständiger Konflikt zwischen Buren und Briten.
Süd- und Südostasien
Informal Imperialism. Indien: Zerschlagung der Baumwollverarbeitenden Industrie durch die Briten; Degradierung zum Rohstofflieferanten. Reform der Landwirtschaft. Zamindare werden erblich, was zu Wucher und Unproduktivität führt. Indonesien: Einführung des Kultursystems in der Landwirtschaft. Zu einem Fünftel Anbau vorgeschriebener Produkte für die Niederlande. Niedergang der Dorfkultur.
Ostasien
Informal Imperialism besonders der Briten. China: Großbritannien fördert Opiumhandel Indiens mit China, in den 1840er Jahre kommt es zum Opiumkrieg, nach dem Großbritannien Zugang zu 4 Hafenstädten erhält. Kaiserliche Funktionäre beginnen, Engländer als Verbündete gegen eigene Bevölkerung anzusehen. 1850-64: Taiping-Aufstand, Bodenreformpläne, antibürgerliche Bewegung (Ideologiemischung aus chinesischem und protestestantischem Gedankengut). Japan: USA und Rußland zwingen Japan zur Aufgabe der Isolation. Aufstände und Anschläge auf Westler. Ende des Shogunats 1867, Beginn von Reformen.
ca. 1800 bis 1870
ca. 1870 bis 1. WK Lateinamerika
Beginnende Industrialisierung. Emigrantenstrom aus Europa nach Argentinien und Brasilien. Städte und Mittelschicht wachsen.
Naher Osten
Tunesien wird französisches Protektorat, Ägypten von Briten besetzt. In Marokko ist die einheimische Bourgeoisie für französisches Engagement, die Landbevölkerung dagegen. Kolonialzeit. 1916 arabischer Aufstand gegen Osmanisches Reich, endet in westlicher Mandatsverwaltung der befreiten Gebiete. 1908 erster Ölfund in Persien. Danach: Großbritannien und Frankreich halten Ölmonopol im Irak und in Persien.
Sub-Sahara-Afrika
Kolonialzeit. In West- und Ostafrika Plantagenwirtschaft. Zwangsarbeit besonders in deutschen und französischen Kolonien. Verbot des Anbaus von eigenen Exportprodukten. Niedergang der Dorfkulturen durch Wegzug besonders junger Männer. Im Kongo Bergbau. In den britischen Kolonien "indirect rule", in französischen "direct rule". Einführung von Steuern stößt auf völliges Unverständnis der Bevölkerung. Nur vereinzelt Widerstand.
Südliches Afrika
Deutschland will Namibia zum Viehexportgebiet machen. Nach den Burenkriegen wird Südafrika im Unionsvertrag von 1910 eigener Staat. Aufstände der Afrikaner: 1904-07 Hereros und Khoi-San ("Hottentotten"), 1906 Zulus, 90er Jahre Stammeshäuptlingegegen Portugiesen. 1912 Gründung des South African National Congress analog zum Tropischen Afrika. Gründung der Industrial & Commercial Union Njassaland. Auftreten afrikanischer Laienprediger um die Jh.-Wende.
Süd- und Südostasien
Kolonialzeit. Südostasien: Soziale Hierarchie ethnisch strukturiert. Investitionen werden ungleichmäßig verteilt, daher Wachstum der Hafenstädte. Nationale Märkte für Eigenprodukte verschwinden. Indien: Beginn der Verschuldung, 1911 bereits 3 Mrd. Rupien. Niedergang des traditionellen Handwerks, besonders auf dem Land. Industrieprolitischer Widerstand entsteht.
Ostasien
Weiterhin Informal Imperialism in China (Koloniestatus war nicht in europäischem Interesse). 1895 Niederlage gegen Japan. Gewisse Modernisierung von Wirtschaft und Infrastruktur. 1900 "Boxeraufstand" von Bauern gegen Europäer. 1911 Chinesische Revolution, getragen von der Mittel- und Oberschicht.
Japan: Beginn verstärkter Industrialisierung. Auslandsabhängigkeit beschränkt auf technologische Hilfe, Ankauf von Maschinen und Verkauf von Rohseide. Allmähliches Verschwinden des Informal Imperialism hier.
ca. 1870 bis 1. WK
1. WK bis 2. WK Lateinamerika
1910 mexikanische Revolution, Motivation: Demokratisierung, nationale Verwaltung der Rohstoffe, Landreform; getragen von verschiedenen Schichten. Vorbildcharakter für andere lateinamerikanische Staaten. Binnenorientierte Phase wegen rückläufigen Außenhandels (Krieg in Europa, Weltwirtschaftskrise). Weitere Industrialisierung. Beginn populistischer Bewegungen. Ab 1930 Massenarbeitslosigkeit, verstärkte Landflucht.
Naher Osten
Aufstände und erste nationalistische Organisationen (besonders in Nordafrika). Wiedererstarken des Islam. In Ägypten infolge der Weltwirtschaftskrise beginnende Industrialisierung (ähnlich wie in Lateinamerika). In Marokko Massenarbeitslosigkeit und Hungersnot. Beginn des US-amerikanischen Einflusses auf den Ölsektor.
Sub-Sahara-Afrika
Entstehung von Widerstandsbewegungen. Islamische Mahdibewegung im Sudan. National Congress of British West Africa: Unionsbewegung des westafrikanischen Bürgertums, Modernisierung und Verwestlichung. Kleinere soziale Protestbewegungen. Gegen bestimmte Maßnahmen der Kolonialverwaltung. Diese unterbinden während der Weltwirtschaftskrise alle Versuche zur Wiederbelebung des Handwerks.
Südliches Afrika
Seit 1922 Beginn der Apartheid-Politik in Südafrika als Reaktion auf schwere Unruhen. Rhodesien wird 1923 britische Kolonie. Arbeitslosigkeit unter Weißen infolge der Weltwirtschaftskrise verschlechtert die Situation der Afrikaner.
Süd- und Südostasien
Umschlagen des passiven Widerstands in aktive Opposition. Indien: Indian National Congress und Moslemliga. Vietnam: zeitweise Guerilla, nationalistische Bewegung. Aufstände, Streiks. Weltwirtschaftskrise: Preissturz bei Exportprodukten, Lebensmittelknappheit. Seit den 30ern Pläne für Übergang zu Selbständigkeit einerseits, andererseits starke Ablehnung (in Indien sind etwa die lokalen Fürsten gegen Unabhängigkeit). In Vietnam bombardiert die französische Luftwaffe aufständische Bauern.
Ostasien (China, Japan)
China: Bürgerliche Republik bis 1945, seit 1937 von Japan besetzt. Erstarken der kommunistischen Bewegung um Mao, deren Verfolgung durch die Kuomintang ("Langer Marsch" seit 1934). Wirtschaftliche Modernisierung nur in den Küstengebieten. Entstehung eines größeren Industrieproletariats, Streiks. Japan: Seit Ende der 20er antikapitalistische und antiparlamentarische Bewegung, Militär ergreift Macht. Beginn der Expansionspolitik, zeitweise Besetzung ganz Südostasiens: Japan wird selbst eine Kolonialmacht.
1. WK bis 2. WK
Quelle: Ger van Roon, "Europa und die Dritte Welt", C.H.Beck 1978

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