spuk in der teilchenwelt Niels
Boeing, Berlin, Januar 1998
Quantenteleportation
2: der philosophische Ausgangspunkt Ein Gedankenexperiment von
Einstein, Podolsky und Rosen von 1935 sollte die physikalische
Unausgegorenheit der Quantenmechanik bloßlegen. Zeilinger
und Kollegen haben es in die Tat umgesetzt
Albert Einstein,
Schöpfer der Relativitätstheorie, machte aus seinem
Unbehagen an der Quantenmechanik, der anderen grossen
physikalischen Theorie dieses Jahrhunderts, keinen Hehl. "Ich
kann aber deshalb nicht ernsthaft daran glauben, weil die Theorie
mit dem Grundsatz unvereinbar ist, dass die Physik eine
Wirklichkeit in Zeit und Raum darstellen soll, ohne spukhafte
Fernwirkungen", schrieb er 1947 dem Physiker Max Born.
Dass die
Quantenmechanik solche Fernwirkungen zulässt, hatte er 1935
mit Boris Podolsky und Nathan Rosen in einem Gedankenexperiment
gezeigt. Ursprünglich hypothetisch gedacht, bildet das
Einstein-Podolsky-Rosen-Experiment heute, gut sechzig Jahre
später, die Grundlage für das Teleportationskonzept der
IBM-Gruppe und der Innsbrucker Physiker. Damals war es der
Höhepunkt einer erbitterten Diskussion, die die Physiker
seit Heisenbergs Formulierung der Quantenmechanik Mitte der
Zwanziger Jahre geführt hatten. Es ging um die Frage, ob die
Quantenmechanik als physikalische Theorie die Realität
vollständig erfasse.
Um zu beweisen, dass
dies nicht der Fall ist, betrachteten Einstein, Podolsky und
Rosen (EPR) ein quantenmechanisches System, das aus zwei
benachbarten Teilchen besteht. Die Quantenmechanik nimmt an, dass
sie auch dann noch ein einziges System darstellen, wenn man sie
längst getrennt hat. Das bedeutet aber, dass durch eine
Messung an Teilchen A die entsprechende Eigenschaft sofort auch
für Teilchen B festliegt - selbst wenn es Lichtjahre
entfernt ist. Konkret: Kennt man den Gesamtimpuls des
Teilchenpaares, weiss man durch eine Impulsmessung von A auch den
Impuls von B.
Die Konsequenz lag
für EPR auf der Hand: Die beiden Teilchenimpulse lagen schon
vor der Messung fest. Ansonsten hätte eine Kommunikation mit
berlichtgeschwindigkeit stattgefunden, was die
Relativitätstheorie verbietet. Nein, argumentierte die
Kopenhagener Fraktion um Bohr, vor der Messung habe der
Teilchenimpuls überhaupt nicht existiert. Ohne Messung gebe
es gar keine Realität. Dann muss die Quantenmechanik
unvollständig sein, argumentierten EPR: Denn aus der
mathematischen Darstellung des Teilchenpaares folgt nicht die
gesamte Information über seinen Zustand. In den Jahren nach
der Veröffentlichung von EPR glätteten sich die Wogen
dieses Streits, bis 1951 ein junger Physiker namens David Bohm
das Gedankenexperiment neu formulierte. Statt abstrakter Teilchen
schlug er ein Paar Photonen vor, deren entgegengesetzte
Polarisation im Prinzip messbar sein müsste. Dieser Versuch
ist in diesem Jahr erstmals gelungen.
Erschienen in der taz vom
3.1.1998
Teil
1: das Experiment, Teil 3: die
Folgen
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