ein photon mit warp 2
Niels Boeing, Berlin, Januar 1998

Qantenteleportation 1: Das Experiment
Einen Körper an einen anderen Ort zu versetzen galt bisher als fixe Idee von Esoterikern. Jetzt hat sie eine Gruppe um den Physiker Anton Zeilinger mit Hilfe der Quantenmechanik in die Tat umgesetzt - für ein Lichtteilchen

Die Teleportation beruht auf einem quantenmechanischen Effekt, auf den Albert Einstein bereits vor über 60 Jahren hinwies. In unserer makroskopischen Welt hat er aber keine Bedeutung. Deshalb wird auch in Zukunft nur auf der Enterprise gebeamt werden - auf dem Bildschirm.

Seit den Tagen Jules Vernes sind nicht wenige Utopien des technischen Zeitalters Wirklichkeit geworden. Bemannte Raumflüge, atomgetriebene U-Boote oder Industrieroboter sorgen längst nicht mehr für ungläubiges Staunen. Doch wenn Pille, Spock und Captain Kirk sich von der Enterprise auf einen unwirtlichen Planeten beamen liessen, war klar: Das ist die Kinderstunde für Erwachsene. Menschen und Gegenstände lassen sich nicht in SekundenPuchteilen an einen x-beliebigen Ort versetzen.

Nein, Menschen nicht, aber die Teilchen des Mikrokosmos. Eine solche Teleportation ist jetzt erstmals Physikern am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck mit einem Photon, einem Lichtteilchen, gelungen.

Damit verwirklichten sie ein Experiment, das Physiker der IBM-Forschungsabteilung bereits 1993 beschrieben hatten. Mangels technischer Möglichkeiten war es zunächst ein Gedankenexperiment gewesen: Alice möchte ihrem Freund Bob ein Photon schicken. Da sie aber befürchtet, das Photon könnte unterwegs verloren gehen, will sie es zu ihm teleportieren. Es soll also unvermittelt bei ihm auftauchen, ohne die weite Reise zurücklegen zu müssen.

Das funktioniert aber nur mit einem Trick aus der schwer zugänglichen Welt der Quanten - kleinster Energiepakete. In dieser von Photonen, Elektronen und Quarks bevölkerten Sphäre gibt es nämlich einige ungewöhnliche Phänomene. Was Alice braucht, ist ein sogenanntes verschränktes Photonenpaar als Mittler. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass beide Lichtteilchen sich nur hinsichtlich einer einzigen Quanteneigenschaft unterscheiden. Ein Beispiel hierfür ist die Polarisationsrichtung eines Lichtteilchens, also die Richtung, in der sein elektromagnetisches Feld schwingt. Die Verschränkung besteht nun darin, dass immer eins der beiden Photonen vertikal, das andere horizontal polarisiert sein muss, ganz gleich wie weit sich beide voneinander entfernt haben.

"Bis vor zwei Jahren konnte niemand solche Teilchenpaare herstellen", sagt Anton Zeilinger, Leiter der Forschungsgruppe. Mit Hilfe von Spezialkristallen ist es inzwischen aber möglich, ein Laser- lichtteilchen in zwei zu spalten, die genau diese Verschränkung haben.

Vom Kristall fliegt nun Photon 1 des verschränkten Paares zu Alice und Photon 2 zu Bob. Die Polarisationsrichtung der beiden Teilchen steht allerdings noch nicht fest. Sicher ist nur, dass sie bei den beiden entgegengesetzt ist. Bei Alice trifft Photon 1 auf Photon X - das Teilchen, das Alice zu Bob teleportieren will. Ein Messgerät fängt beide Photonen ein und bewirkt, dass sie sich nun gegenseitig beeinflussen.

Hier kommt eine weitere Eigentümlichkeit der Quantenphysik ins Spiel: Bevor die Eigenschaft eines Teilchens gemessen wird, befindet es sich, so kurios es klingen mag, in mehreren möglichen Zuständen gleichzeitig. Ein Lichtteilchen kann also vor der Messung der Polarisationsrichtung zur selben Zeit ein bisschen vertikal und ein bisschen horizontal polarisiert sein. Treffen die Photonen 1 und X aufeinander, überlagern sich ihre Polarisierungszustände zu einem neuen kombinierten Zustand: dem sogenannten Bell-Zustand.

Den vier möglichen Kombinationen entsprechen dabei vier Bell-Zustände. Und in einem von diesen findet etwas Aussergewöhnliches statt: Photon 1 verschränkt sich nun auch mit Photon X. Das bedeutet, dass die Polarisation der beiden senkrecht zueinander steht. Aber Photon 1 und 2 sind ebenfalls noch miteinander verschränkt. In diesem Augenblick bleibt Photon 2 nichts anderes übrig, als die Polarisationsrichtung von Photon X anzunehmen. Damit hat es sich in Photon X verwandelt, denn verschränkte Paare unterscheiden sich ja nur in einzigen Eigenschaft. Ergebnis: Eine Teleportation hat stattgefunden.

Doch Vorsicht: Photon 2 ist keine Kopie. Denn Nachricht von Alice, das ursprüngliche Photon X, ist in dem Bell-Zustand aufgegangen - als eigenständiges Teilchen existiert es jetzt nicht mehr. Zwar ist die Teleportation selbst ohne Zeitverzug - und das heisst: schneller als Licht! - vor sich gegangen. Das trifft aber nur für das Umspringen der Verschränkung zu. Bob hingegen kann die erfolgreiche Teleportation nicht von selbst erkennen.

Dazu müssen Bob und Alice erst am Telefon ihre Messergebnisse vergleichen. Ob eine Teleportation stattgefunden hat, hängt davon ab, welche Polarisationsrichtung Bob für Photon 2 gemessen hat. Alice wiederum muss Bob sagen, ob sie den richtigen der vier möglichen Bell-Zustände festgestellt hat.

Hier liegt auch der entscheidende Unterschied zwischen einem normalen Transport und der Quantenteleportation. Hätte Alice das Photon auf die Reise geschickt, wüsste sie, wie es aussieht und könnte Bob sagen, wonach er suchen soll. Anders bei der Quantenteleportation: Die funktioniert nur, wenn Alice das Teilchen nicht kennt! Hätte sie es aus Neugier angeschaut, wäre kein Bell-Zustand zustande gekommen - und damit hätte sie dann die Teleportation verhindert.

Erschienen in der taz vom 3.1.1998

Teil 2: der philosophische Ausgangspunkt, Teil 3: die Folgen

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