die
creative gruppe
das
ökologieproblem Mai
1992, ausgedruckt 12 Seiten
- Einleitung
- Ursachenforschung
- Grundsätzliche
Überlegungen zu möglichen Lösungsansätzen
- Das globale
Ökologieproblem
- Das
Ökologieproblem eines einzelnen Industriestaates
- Das
Ökologieproblem eines jeden einzelnen von uns
Anhang:
Fragen zum eigenen Umweltbewußtsein und -verhalten
Dabei waren: Niels
Boeing, Holger Donath, Ulrich Gessner, Robert Gillenkirch, Markus
Hacker, Richard von Heusinger, Robert von Heusinger, Alexander
Smerz.
1 Einleitung
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Angesichts der Komplexität gaben wir unser ursprüngliches
Thema "Die Recycling-Gesellschaft" (was auch eher als
Aufhänger gedacht war) schnell auf, um nicht mangels
Spezialwissen in flache, unfruchtbare Diskussionen zu verfallen,
wo bereits intelligente Untersuchungen angestellt worden sind.
Stattdessen haben wir begonnnen, Zusammenhänge zwischen
verschiedenen Bereichen des Ökologieproblems zu untersuchen,
um uns einen ersten Überblick zu verschaffen, auf dem
weitere Treffen aufbauen können. Die gegenwärtige
Lage ist hinreichend bekannt: Die Industriestaaten sind die
größten Umweltverschmutzer, da sich ihre
Marktwirtschaft in den letzten 200 Jahren ohne jegliche
ökologische Vernunft entwickelt hat. Die Dritte Welt ist
heute gezwungen, ihre Natur ebenso auszubeuten, um sich in der
Weltwirtschaft wenigstens ihr (oft menschenunwürdiges)
Existenzminimum zu sichern. Die in den letzten Jahrzehnten zutage
tretenden Naturzerstörungen zeigen, daß der
jahrhundertelange Raubbau an der Natur nicht mehr lange
fortgesetzt werden kann, daß eine globale Katastrophe
gigantischen Ausmaßes bevorsteht, sollte sich nichts
Wesentliches ändern. Was aber soll sich ändern?
Schon über die Zielsetzung aller Reformen, seien sie global
oder auf einzelne Länder bezogen, herrscht Uneinigkeit. Die
Komplexität des Ökologieproblems ist so groß, daß
es keine einfachen Lösungen mehr gibt. Nord-Süd-Konflikt,
Wertewandel in den Industriestaaten, Migration, religiöse
und nationalistische Auseinandersetzungen können nicht mehr
vom Ökologieproblem getrennt gesehen werden.
2 Ursachenforschung
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Wie natürlich ist der Mensch und das, was er
hervorbringt? Definiert man das gesamte Ökosystem Erde
als Natur, inclusive den Menschen und ihrer Zivilisation, löst
sich das Problem in Nichts auf. Die drohende ökologische
Katastrophe ist dann, in geologischen Zeiträumen betrachtet,
eine weitere (freilich gewaltige) Selbstregulierung dieser Natur.
Ob und wieviele Menschen diese überleben, spielt keine
Rolle; das Ökosystem Erde wird, wenn auch zunächst
geschwächt und an Formenvielfalt verarmt, weiter existieren.
Diese Betrachtungsweise scheint realistisch, kann uns dennoch,
trotz der Hoffnung, daß der Mensch nicht immer siegen kann,
nicht weiterhelfen. Betrachten wir Natur also als das, was den
Menschen und seine Zivilisation umgibt: Flora, Fauna, Atmosphäre,
Ozeane und Landschaftsformen. Wie und wann verläßt der
Mensch diese Natur, hört auf, in ihr zu leben, beginnt, mit
ihr zu leben und sie als Gegenüber zu sehen? Im Prinzip
schon bei seinem Auftauchen in der Evolution. Durch seine
Intelligenz ist er in der Lage, die Natur zunächst zu
überlisten, später zu formen und auszubeuten, sich über
sie zu stellen. Der Mechanismus ist seit der Eiszeit immer
derselbe: Seßhaftwerden, Umweltumgestaltung, Technisierung,
führt aber noch nicht notwendigerweise zu starken
Umweltschäden. Es hat Kulturen gegeben (z.B. in
Südostasien), die die Natur veränderten und trotzdem
(uns erscheint das heute als Gegensatz) mit ihr in Einklang
lebten. Das ist nicht nur eine Frage der Bevölkerungsdichte.
Wertesysteme, Religionen und Philosophien spiegeln das jeweilige
Naturverständnis wieder. Im Falle des christlichen Europa
mit der Maxime "Macht Euch die Erde untertan",
verbunden mit großen technischen Fortschritten seit der
Renaissance, sprengte die menschliche Fähigkeit, die Natur
zu formen, alle vorherigen Dimensionen. Heute gegen Ende des 20.
Jh. ist eine Grenze der "Umformbarkeit" (um nicht zu
sagen Zerstörbarkeit) erreicht, die noch vor 50 Jahren kaum
abzusehen war. Menschliche Zivilisation wird in einer derart
zerstörbaren Natur nur noch wenige Generationen möglich
sein. Zu allen Zeiten haben besonders verstädterte Kulturen
Müll und Umweltschäden verursacht - man denke an das
Römische Reich -, doch führen in diesem Jh.
Millionenmetropolen auf der ganzen Welt sowie die brutale
Überbevölkerung zu den heutigen Ausmaßen. Die
Gleichgewichtsregeln der Natur und das "menschliche"
Prinzip der Nutzenmaximierung (d.h. Steigerung des individuellen
Wohlbefindens als ultima ratio) bilden offensichtlich einen
Gegensatz, der um so größer wird, je mehr der Mensch
verstädtert, nicht zuletzt weil das liberale
Wirtschaftssystem den Faktor Arbeit in die Agglomerationszentren
zieht. Der Mensch war bisher in der Lage, sich über diese
Gleichgewichtsregeln hinwegzusetzen - das Feed-back der Natur war
zu schwach oder konnte umgelenkt werden. Ein Stadtmensch kann
dieses Feed-back darüberhinaus lange Zeit gar nicht
wahrnehmen (Trinkwasserverschmutzung und -verknappung) in seiner
selbst geschaffenen Welt, die ausschließlich nach seinen
Gesetzen zu funktionieren scheint. Das "natürliche"
Prinzip der Nutzenmaximierung, das die Gleichgewichtsregeln nicht
verletzt, ist für ihn irrelevant geworden. Im Leben des
modernen, industrialisierten Menschen sind die entscheidenden
Größen Effizienz und monetäre Bemessung. Sie
korrespondieren überhaupt nicht mit den natürlichen
Gleichgewichtsregeln. Das sie bedingende System der
Marktwirtschaft ist allerdings im Norden nicht aufgepfropft
worden, sondern hat sich allmählich entwickelt. Es reagiert
in seiner jetzigen Form auf das Feed-back der Natur nicht, weil
es dieses gar nicht aufnehmen und verstehen kann. Der einzig
bislang wahrnehmbare Feed-back-Effekt ist vielleicht die
Integration eines postmateriellen Wertes Natur in die
Nutzenfunktion der Wohlstandsgesellschaften, die allerdings mit
diesem Wohlstand steht und fällt, also eher ein Luxus denn
eine Einsicht ist.
3 Grundsätzliche Überlegungen zu
möglichen Lösungsansätzen
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Wie können nun Regelungsmechanismen eingeführt
werden, die das System in eine produktive Kommunikation mit der
Natur zurückbringen? Mit einem neuen Wertesystem, mit
dirigistischen Systemveränderungen oder gar einem ganz neuen
System? Die Lösung dieser Fragestellung allein reicht
aber noch nicht. Bereits zerstörte Natur muß
zusätzlich regeneriert werden, es genügt in der
gegenwärtigen Situation nicht, nur mit der noch erhaltenen
Natur in Einklang zu kommen. Besonders in den europäischen
Industriestaaten läßt sich jedoch gar nicht mehr
sagen, wie ursprüngliche Natur aussieht. Der Wald als
letztes Naturüberbleibsel (den Rest der nicht verbauten
Fläche kann man wohl als Agrarsteppe bezeichnen) hat durch
jahrhundertelange Umwandlung, Ausbeutung und Bewirtschaftung sein
ursprüngliches Gesicht verloren. Gibt es aber überhaupt
ein ursprüngliches Gesicht des Waldes? Das heutige
Deutschland z.B. war um Christi Geburt zu 95 % mit reinen
Buchenwäldern bedeckt und nicht mit wilden Mischwäldern,
die heutzutage immer für den mitteleuropäischen Urwald
gehalten werden. Mit der Parole "Zurück zur Natur"
kommt man nicht weit, da sich die Natur nicht aus der
Vergangenheit definieren läßt. Andererseits hapert
es mit einem echten Gefühl für Natur. Nicht nur, daß
wir sie nicht verstehen, wir empfinden auch nicht tief genug für
sie. Natürlich ist fast jeder von besonderen Landschaften
und Naturpanoramen beeindruckt, doch kaum jemand sieht Bäume
und Blumen als empfindliche und empfindsame Lebewesen an. Sie
sind einfach Kulisse, die immer da ist und keine Ansprüche
zu stellen scheint. Dieses Naturgefühl läßt sich
nicht erlernen, es ist etwas anderes als das Wissen, wie Natur
"funktioniert". Unser naturwissenschaftlich-technisches
Weltbild läßt uns alles in Funktionen und Mechanismen
betrachten, aber damit alleine rücken wir dem
Ökologieproblem nicht zu Leibe. Unser Bildungssystem sieht
in diesem Punkt gar nichts vor, und es ist angesichts einer
völlig verstädterten, konsumorientierten Kultur unklar,
wie künftige Generationen zu einem solchen Naturgefühl
erzogen werden können. Ein großes Problem bei der
Suche nach dem verlorenen Naturgefühl ist die durch
Reizüberflutung der Medien verminderte Erlebnisfähigkeit.
Unterhaltungsüberfütterung, Abstumpfung natürlicher
Gefühle, die Jagd nach schnellem, oberflächlichem Glück
(nicht zuletzt durch die Werbung angeheizt) haben die Tiefe der
Empfindungen zugeschüttet. Im übrigen kann man dies für
die zwischenmenschlichen Beziehungen ebenso konstatieren - wir
müssen auch unsere Mitmenschen als Teil der Natur begreifen.
4 Das globale Ökologieproblem
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Das gegemwärtige Weltwirtschaftssystem ist ökologisch
betrachtet eine Katastrophe. Die Industriestaaten haben, nachdem
sie sich in den letzten 25 Jahren dessen bewußt geworden
sind, erste zaghafte Reformen ihrer Produktionsmethoden
unternommen und beginnen nun, Druck auf die Dritte Welt
auszuüben, nachzuziehen. Dieser Druck ist jedoch egoistisch,
solange die Industriestaaten keine finanziellen Mittel
bereitstellen, und wirkt bisher eher wie der Versuch, potentielle
Konkurrenten und andere Kulturen unterentwickelt und abhängig
zu halten. Ist die Dritte Welt im jetzigen System überhaupt
in der Lage, irgendeine Reform selbst durchzuführen? Die
Entwicklungspolitik der letzten 20 ist gescheitert. Die wenigen
Staaten, die Anschluß an die Industriestaaten gefunden
haben (z.B. Taiwan, Hongkong, Südkorea), konnten dies nur um
den Preis größerer Umweltzerstörungen erreichen.
Die restlichen sogenannten Schwellenländer von einst sind
vom allgemeinen wirtschaftlichen Absturz der Dritten Welt
mitgerissen worden, ein Konzept für eine neue
Entwicklungspolitik ist nicht in Sicht. So muten denn auch die
Forderungen des Nordens eher wie das Zuschanzen des Schwarzen
Peters an, solange nicht das Weltwirtschaftssystem insgesamt
radikal umgestaltet wird. Ist der freie Weltmarkt das
Allheilmittel, nachdem manche Entwicklungsländer und auch
einige Theoretiker in den Industriestaaten rufen? Verschiedene
Staaten würden sich noch weiter spezialisieren auf einige
wenige Wirtschaftszweige, um konkurrenzfähig bleiben zu
können. Die Abhängigkeit ohnehin schwacher Staaten
dürfte dabei aber zunehmen, Nachfrageeinbrüche auf
bestimmten Märkten hätten dann noch verheerendere
Folgen, als dies bisher der Fall ist. Eine Strukturpolitik müßte
dann ausschließlich auf UNO-Ebene stattfinden - aber wir
kennen ja die UNO, und wir wissen, wie schwierig Strukturpolitik
schon in der Bundesrepublik ist. Sämtliche Szenarien,
die in irgendeiner Form Solidarität der Industriestaaten
erfordern, sind wohl unrealistisch. Einzig die jetzt beginnenden
Wanderungsbewegungen könnten einen politischen Druck zur
Kooperation erzeugen, könnten aber - als Ausdruck von
Resignation oder Egoismus im Norden - auch die Errichtung einer
Wohlstandsmauer beschleunigen. Trotzdem: Gibt es irgendwelche
Alternativen zu den gegenwärtigen Tendenzen? Kooperation
zwischen Nord und Süd könnte vielleicht in einem
"Patenmodell" stattfinden, in dem die USA sich auf die
Entwicklung Südamerikas konzentrieren, die EG auf Osteuropa
und Afrika, Japan auf Asien. Aber, angesichts der momentanen
Rezession, hört sich das schon fast lächerlich an. Eine
Alternative wäre die Bildung von Wirtschaftsblöcken
innerhalb der Dritten Welt, mit einem gewissen Protektionismus
nach dem Vorbild von USA, EG und Japan. Die jeweiligen Staaten
würden zwar den Vorteil ihrer billigen Arbeitskräfte
einbüßen, könnten aber ihre Rohstoffe zu
menschenwürdigen Preisen verkaufen (man erinnere sich an die
Ölkrisen). Außerdem würde es ihnen die
Möglichkeit einer halbwegs eigenständigen kulturellen
Entwicklung und Wahrung ihrer Identität geben - wovon im
jetzigen System keine Rede sein kann. Allerdings ist die Aussicht
auf Entwicklungshilfe durch Industriestaaten zu politischen
Gegenleistungen für viele Dritt-weltländer attraktiver
gewesen als die Kooperation untereinander, weshalb die jüngere
Geschichte reich an Bruderkriegen in der Dritten Welt ist. Der
Golfkrieg hat uns außerdem gezeigt, wie die
Industriestaaten auf Entwicklungen reagieren, die auf eine
Stärkung des regionalen Zusammenhalts hinzielen. Die
Spaltung des arabischen Lagers im Golfkrieg zeigt darüberhinaus,
wie groß die Chancen sind, in Regionen der Dritten Welt
einen Konsens herzustellen.
5 Das Ökologieproblem eines einzelnen
Industriestaates
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Die Wirtschaftswissenschaften sind in den letzten Jahren nicht
untätig gewesen und haben sich mit der Entwicklung einer
Umwweltökonomie befaßt. Zentrales Problem scheinen
jedoch die Nichtquantifizierbarkeit der Verschmutzung von Boden,
Wasser und Luft sowie die Erfassung und Zuordnung der externen
Kosten (d.h. die Kosten, die der Gesellschaft durch die
Umweltschädigung von Produktionsprozessen entstehen) zu
sein, die nicht über einen Markt erfaßt werden können,
weil für sie kein Markt existiert. Die Güterpreise sind
eigentlich zu billig, weil sie die externen Kosten nicht
enthalten. Umweltfreundliche Produkte, deren Preis externe Kosten
berücksichtigt, sind also teurer und weniger
wettbewerbsfähig. Die Marktwirtschaft zeigt sich offenbar
dieser neuen Problematik nicht gewachsen, weil diese gar nicht
Eingang in ihre Strukturen finden. Es ist fraglich, ob es im
Rahmen der Marktwirtschaft eine erfolgreiche Umweltökonomie
geben kann. Im Anhang findet Ihr einen kleinen Abriß der
Umweltökonomie von Robert (G.).
Zweifellos ist der
ökologische Umbau heute nicht mehr Angelegenheit eines jeden
einzelnen Industriestaates. Gemeinsames Handeln aller
Industriestaaten ist als nötig erkannt worden, aber keiner
macht den Anfang, da er den anderen zunächst einmal eine
Trittbrettfahrermentalität unterstellt. So lauten denn die
beiden Hauptargumente im Kampf gegen ökologische Reformen
der aus diesen entstehende Verlust der internationalen
Wettbewerbsfähigkeit und ein anschließender Abbau von
Arbeitsplätzen. Daraus ergeben sich die erbitterten Kämpfe
zwischen wirtschaftlichen "Realisten" und
"Ökologisten". Beispielsweise in der
EG-Energiepolitik: Im Rahmen des EG-Binnenmarktes soll ein
EG-Energiemarkt errichtet werden, der auf dem Common
Carrier-Prinzip beruht. Einspeisern und Großabnehmern wird
freier Zugang zu einem verbundenen Energienetz gewährt, mit
dem Ziel, durch den Wettbewerb billigeren Strom zu produzieren,
was der europäischen Industrie wiederum in der
Weltwirtschaft zugutekommt. Das sieht so aus, daß in
Frankreich und anderen Ländern mit niedrigeren
Sicherheitsanforderungen eine billige (weil unglaublich
subventionierte) Atomstromindustrie boomen wird, die man nebenher
auch noch als umweltfreundlich wegen niedriger CO2- Emissionen
ausgeben kann. Klingt so ganz gut. Man kann aber auch zu ganz
anderen Ergebnissen kommen: Mit einer konsequenten Nutzung von
Kraft-Wärme-Kopplung (d.h. die Abwärme bei der
Stromproduktion als Fernwärme zur Beheizung nutzen) und
alternativen Energien und bei völligem Verzicht auf
Atomenergie würde man immer noch weniger CO2 emittieren als
mit "sauberem" Atomstrom im EG- Szenario (so eine
Studie des Öko-Instituts in Freiburg; Näheres dazu im
Anhang). Dazu wäre jedoch eine EG-weite dezentrale
Produktionsstruktur nötig, da mit dem Common Carrier-Prinzip
keine Kraft-Wärme-Kopplung möglich ist - Fernwärme
läßt sich im Gegensatz zum Strom nicht über
Tausende von Kilometern transportieren. Hier berührt das
Problem nun politische Entscheidungen über die Strukturen
einer künftigen Europäischen Union: Jede Idee zieht
zunächst einen Rattenschwanz neuer Probleme nach sich. Es
gibt mittlerweile keine Einzellösungen mehr, nichts kann
mehr ohne einen größeren, meist internationalen
Kontext gesehen werden.Die diversen Studien über Formen
einer ökologischen Industriegesellschaft sollen hier nicht
im einzelnen erörtert werden. Dies bleibt vorläufig
jedem selbst überlassen.
Uns bleibt erst einmal
nichts anderes übrig, uns über diese Verflechtungen und
die Bedingungen, Voraussetzungen und Aussichten eines
ökologischen Umbaus klar zu werden. Beginnt er beim
Einzelnen, also von unten, oder oben beim Staat? Ist es möglich,
das gegenwärtige System einer (mehr oder weniger) sozialen
Marktwirtschaft zu reformieren oder muß ein ganz neues
System gefunden werden? Wieviel Zeit können wir uns noch mit
der Beantwortung dieser Fragen lassen? Bleiben wir im System,
gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder es entwickelt sich eine
neue Autorität, d.h. eine politische Macht oder ein neues
gesellschaftliches Bewußtsein, daß den ökologischen
Umbau einleiten und durchsetzen kann, oder es werden
selbstregulierende Mechanismen eingebaut. Im letzteren Sinne sind
Vorschläge wie Energiesteuer, CO2-Steuer oder neuerdings
Zertifikate für Industrieemissionen zu verstehen. Diese
könnten jeweils die Umweltbelastungen konstant halten, aber
sie würden die Ursache nicht bekämpfen. Die Zertifikate
beispielsweise berechtigen zur Emission einer bestimmten
Schadstoffmenge und können zunächst beim Staat, der so
eine neue Einnahmequelle für ökologische Maßnahmen
erschließt, gekauft und später frei gehandelt werden.
Ohne Zertifikate ist dann die Eröffnung einer neuen Fabrik
nicht möglich, es ist also sichergestellt, daß
aufgrund eines Booms neu entstehende Industrie die Gesamtemission
nicht erhöht. Bei solchen Lösungen müßte
sich in den Köpfen nichts verändern, das Problem wäre
rein mechanistisch entschärft.
6 Das Ökologie-Problem eines jeden
einzelnen von uns
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Womit wir beim Umweltbewußtsein des Einzelnen angekommen
sind. Mangelndes Umweltbewußtsein ist nicht unbedingt
Ausdruck von Gleichgültigkeit oder Egoismus. Zum einen fehlt
es an der nötigen Information über Zusammenhänge
(vereinfachende, reißerische Informationen gibt es
reichlich); zum anderen kann man die Schäden, die durch
bestimmte Verhaltensweisen verursacht werden, gar nicht
wahrnehmen oder nur in so großen Zeiträumen, daß
ein Schuldgefühl nicht mehr aufkommen kann. Ein "Umweltwert"
muß sich erst entwickeln, der einem sofort im Moment der
Schädigung ein schlechtes Gewissen einflößt.
Dieser Wertewandel findet in einigen Industriegesellschaften
mittlerweile statt, aber möglicherweise auch in diesen noch
zu langsam. Mit der Entstehung eines Umweltwertes muß ein
Wiedererstarken der Werte Solidarität und Mäßigung
einhergehen, als Gegengewicht zum Egoismus und zum Leistungs- und
Effizienzdenken der Marktwirtschaft, die das Ökologieproblem
ermöglicht haben. Braucht Solidarität aber eine
stiftende Autorität? Z.B. Kriege und Naturkatastrophen, oder
eben eine Umweltkatastrophe? Welche bereits bestehenden
Autoritäten sind in der Lage, den Wertewandel durchzusetzen?
Staat, Kirche, Familie? Der Wertewandel ist jedenfalls keine
Frage rationalen Verhaltens, wie uns das Gefangenendilemma der
Spieltheoretiker zeigen kann. Dort wird den beteiligten Personen
rationales Verhalten unterstellt mit dem Ergebnis, daß sie
eher bemüht sind den eigenen Schaden zu minimieren als den
der Gruppe. Das Ergebnis dabei ist für die Gruppe nicht
optimal - es sei denn, es gäbe eine Gruppenautorität,
die den Beteiligten die für sie individuell taktischste
Lösung nicht gestattet. Das Gefangenendilemma ist zur
Verdeutlichung im Anhang kurz dargestellt. Überträgt
man dies auf Entscheidungs- und Verhaltensmuster von Individuen
in unserer individuell- rational orientierten Gesellschaft, z.B.
beim Ökologieproblem, wundert man sich nicht, warum alle
Beteiligten nicht endlich anfangen, kollektiv rational zu
handeln. Und wir stellen fest, daß es derzeit keine wie
auch immer geartete Autorität gibt, die einen kollektiven
Rationalismus durchsetzt. 6 Das Ökologieproblem eines jeden
einzelnen von uns Endlich ist der Augenblick der Selbstkritik
gekommen. Handeln wir individuell- oder kollektiv- rational? Die
wenigsten von uns können behaupten, sie würden schon
genug für die Umwelt tun, hätten ihren Lebensstil
ökologisch umgestellt, obwohl im Kopf schon viele
Erkenntnisse gereift und Aha-Effekte eingetreten sind. Zu diesem
Zweck haben wir eine "Öko-Checkliste" (Abschnitt
7) aufgestellt, bei der auch wir noch nicht besonders gut
abschneiden. Aber es ist ein Anfang - wenn Euch neue Punkte
einfallen, sagt sie uns.
7 Anhang: Fragen zum eigenen
Umweltbewußtsein und -verhalten
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Eine Auswertung für Deine Antworten gibt es nicht. Du
wirst ihnen wohl entnehmen können, wieviel Strom Du
verbrauchst, wieviel Dreck Du mitproduzierst, wie unangemessen
und verantwortungslos Du Dich in bestimmten Angelegenheiten
verhältst etc. (oder auch nicht). Teil 1
Besitzst
und benutzst Du
Sparst Du bewußt Strom?
Hast Du ein Auto?
Fährst Du bewußt sparsam?
Fährst
Du Fahrrad und hast Du eine Monatskarte für öffentliche
Verkehrsmittel?
Verbrauchst Du Batterien (wenn ja,
wieviele pro Jahr)?
Verwendest Du Einwegstifte und
Textmarker?
Kaufst Du Einwegflaschen und Dosen (wenn ja,
wie oft)?
Nimmst Du beim Einkaufen Plastiktüten?
Gehst Du in Fast-Food-Läden (wenn ja, wie oft)ß
Fährst Du Ski-Alpin?
Machst Du Luxus-Urlaub?
Verwendest Du ausschließlich Altpapier zum
Schreiben?
Kopierst Du auf Altpapier?
Verwendest
Du Klopapier aus Altpapier?
Benutzst Du
Stofftaschentücher?
Sparst Du Verpackung durch
Kaufen größerer Packungen?
Gibst Du die
Umverpackungen im Laden ab?
Kaufst Du oft im Bioladen?
Kaufst Du bewußt ökologisch unbedenkliche
Produkte?
Nimmst Du Seife statt Duschgel oder
nachfüllbares Duschgel?
Duschst Du anstatt zu baden?
Sparst Du Wasser bei der Toilettenspülung durch
Regelung der Wassermenge (z.B. durch ein Gewicht im
Wasserkasten)?
Verwendest Du Ökoputzmittel?
Gibst
Du Lebensmittelreste auf einen Kompost?
Sammelst Du
Altglas und Altpapier?
Sortierst Du den Müll außer
nach Glas und Papier noch weiter und bringst ihn zu einem
Recyclinghof?
Kaufst Du Kleider auch in
Second-Hand-Shops?
Gibst Du Kleider, die Dir überhaupt
nicht mehr gefallen, die aber noch in Ordnung sind, zur
Altkleidersammlung, d.h. Du schmeißt sie nicht einfach weg?
Kaufst Du Dir neue Kleider, wenn die Mode gerade
wechselt?
Teil 2 - Wie schätzst Du Dich selbst ein?
Dein Urlaubsverhalten (1=unauffällig wie ein
Indianer bis 6=Neckermann)
Dein
Konsumverhalten (1=reflektiert bis 6=konsumgeil)
Dein
Medikamentenbestand (1=was wirklich nötig ist bis
6=placebosüchtig)
Dein Hygienebedürfnis (1=nicht
vorhanden bis 6=völlig übertrieben)
Deine
Naturverbundenheit (1=tief bis 6=gar nicht)
Priorität
der Ökologie für Dich (1=auch in Streßsituationen
bis 6=gar keine)
Fühlst Du Dich für
rumliegenden Müll, für den Müll anderer
verantwortlich? (1=auf jeden Fall bis 6=gar nicht)
Machst
Du andere auf umweltschädigendes Verhalten
aufmerksam? (1=immer, auch wenn es Ärger gibt bis 6=nie)
Schmeißt Du irgendwelche Abfälle, gleich
welcher Größe, in die Gegend? (1=bringe alles zu
einem Papierkorb, notfalls nach Hause bis 6=ja, warum nicht?)
Läßt Du Lebensmittel schlecht werden? (1=nie
bis 6=Schimmel im Kühlschrank)
Schmeißt Du
Lebensmittel vor dem Schlechtwerden weg? (1=nie bis 6=klar,
kommt öfters vor)
Interesse an
Umweltproblem? (1=riesig bis 6=interessiert mich überhaupt
nicht)
Engagierst Du Dich in irgendeiner Form aktiv für
Umweltschutz, z.B. Mitarbeit in einer ökologischen
Organisation, Jugendarbeit, Mitarbeit bei
Bürgerinitiativen? (1=auf jeden Fall bis 6=fauler Sack)
Schätzst Du Kosmetik a) an Dir selbst? b) an
anderen? (1=nur Seife und Wasser bis 6=potentieller
Werbeträger)
Wie oft wäschst Du Dein
Auto? (1=nie bis 6=täglich)
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