die wahrheit

Die Wahrheit ist ein flüchtiges Etwas, nicht ewig, nein ein Kunstwerk, das permanent von uns allen neu erschaffen und bekräftigt werden muß.

Die eine Wahrheit stellen und ergreifen zu wollen, hieße unserem eigenen Schatten nachzujagen, in der Hoffnung, ihn irgendwann aufheben zu können. Doch die Sonne lacht uns aus, und wenn sie genug von unserer grotesken Schattenjagd hat, stellt sie sich über uns und läßt den Schatten verschwinden.

Wer behauptet nicht alles, er sei im Besitz der einen Wahrheit, im Namen Gottes, im Namen der Wissenschaft, und besteht darauf, Widerspruch und Zweifel seien sinnlos. Doch widersprechen wir, entpuppt sich diese Wahrheit als nichts anderes als Macht, Geld und Gewalt.

Die Wahrheit i s t nur, hier und jetzt, in einem Kontext, von dem wir nicht absehen können. Wenn unveränderlich in Raum und Zeit sie daraus hervorzwingen und anderen Menschen aufdrängen, an anderen Orten in anderen Situationen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn diese verständnislos reagieren.

Glauben wir nicht die Mär vom Ende der Geschichte, da die Wahrheit über das Leben, über die Natur des Menschen, über das Universum mehr oder weniger gefunden sei und nur noch unbedeutender Verfeinerungen bedürfe. Widersprechen wir dem Versuch, Unmenschlichkeit, Ausbeutung, Ungerechtigkeit, Verelendung und Naturzerstörung als bedauerliche, nichtsdestotrotz unvermeidlich Schattenseiten dieser Wahrheit darzustellen, die immer wieder aufträten und mit denen wir uns abfinden müßten.

Die Wahrheit ist kein metaphysischer Urgrund - unveränderlich in Raum und Zeit -, dem wir uns im Laufe der Geschichte immer weiter annähern. Sie ist das, worauf wir uns verständigen können, weil es uns in unserem Lebenszusammenhang überzeugt, das, was uns ein menschenwürdiges und friedliches Leben ermöglicht.