c. das kapitel vom zins
aus: Gunnar Heinsohn/Otto Steiger, „Eigentum, Zins und Geld - ungelöste Rätsel der Wirtschaftswissenschaft“, Rowohlt 1996

Zusammenfassung: Die Eigentumsprämie als Schlüsselgröße für das Wirtschaften

Für die dominierende Wirtschaftstheorie gibt es die Zinsforderung des Gläubigers, weil er auf Nutzung seiner Güter zugunsten eines Schuldners vorübergehend verzichtet. Sie macht nur Sinn, wenn der Schuldner im Zeitraum des ihm eingeräumten Kreditzeitraums einen Profit erzielt. Dieser wird als Reinertrag von Gütern durch Transformation von Güterwerten in höhere Güterwerte verstanden, aus denen der Zins geleistet wird. Die Unterstellung der Existenz eines Reinertrages bildet den wunden Punkt der neoklassischen Zinstheorie. Sie nimmt diesen Ertrag als Faktum, ohne seinen ökonomischen Erzwingungsgrund angeben zu können.

Die Neoklassik steht damit in Analogie zur Klassik, die einen Profit als Einkommen von Produktionsmitteleigentum voraussetzt, aus dem der Zins als ein abgeleitetes Profiteinkommen von denjenigen Produzenten aufgebracht wird, die Produktionsmittel erst erwerben wollen und dafür Kredit nehmen. Der ökonomische Grund der Profiterzwingung kann auch von der Klassik nicht angegeben werden. Sie verfällt für seine Herkunft deshalb auf eine Herrschaftstheorie. Berühmt wurden entsprechende Kennzeichnungen bei Marx: „Die industriellen Kapitalisten, diese neuen Potentaten, ... die Ritter von der Industrie brachten ... die Knechtschaft des Arbeiters.“ In solcher Sicht des Wirtschaftens wächst aus der Macht über Produktionsmitteleigentum die Macht zur Ausbeutung eigentumsloser und damit machtloser Arbeiter, die durch eben diese Macht auf den blossen Reproduktionslohn gedrückt werden, was den Profit als Überschuss über den Reproduktionslohn ermöglicht.

Klassik und Neoklassik haben niemals dem Befund Rechnung tragen können, dass der Zins völlig unabhängig von Profit oder Reinertrag anfällt und selbst bei Verlusten des Schuldners zu leisten ist. Dieser Umstand verweist (farauf, dass der Zins für etwas zu bezahlen ist, das weder mit Ausbeutung noch mit einer physischen Transformation zu tun hat.

Die Suche nach diesem „Etwas“ hat Keynes zum zentralen Thema seiner Theorie gemacht. Den ökonomischen Erzwinger von Zins identifiziert er in einer imniateriellen Liquiditätsprämic, in einem Betrag an Annehmlichkeit und Sicherheit. Dieser erwachse aus dem Halten dauerhafter Güter als Vermögen und sei bei dem Vermögensgut Geld am höchsten. Da dem Gläubiger beim Kreditieren von Geld diese Liquiditätsprämie während des Kreditzeitraums entgehe, müsse der Schuldner sie durch etwas ausgleichen. Dieser Ausgleich sei der Zins.

Mit Keynes' Idee einer immateriellen Prämie beginnt - vage noch und am Ende erfolglos - ein Denken, das im eigentlichen Sinne als Theorie der Wirtschaft bezeichnet werden kann. Es sind nicht mehr biologische, psychische oder soziale Elemente wie Gier, Bedürfnisse und Machtbefugnisse, die das Wirtschaften erzwingen, sondern eine zu Zins materialisierbare immaterielle Prämie.

Durch diese Einsicht wird die richtige Erklärung der zinsgebärenden Prämie zum Fundament der Wirtschaftstheorie. Keynes scheitert jedoch hieran, weil er der universalen Kategorie von Gütern verhaftet bleibt und auf ihre Dauerhaftigkeit die immaterielle Prämie legt. Da dauerhafte Güter und auch ihr Verleihen in der Tat immer schon zur Menschheitsgeschichte gehören, der Zins jedoch nicht, muss die zum Zins führende Prämie einen Grund haben, der nicht in Gütern als solchen oder ihrer Eigenschaft liegt, dauerhaft und auf Zeit verleihbar sein zu können.

Erst das Gut, das Eigentum ist, welches nicht durch seine Dauerhaftigkeit oder seine Nutzungsqualität, sondern durch Rechtsakt definiert ist, konstituiert die für den Zins relevante Prämie. Sie besteht in dem Vermögen von Eigentum, belastbar und verpfändbar sein zu können, kurz: der Eigentumsprämie. Bei Belastung von Eigentum im Kreditkontrakt verliert der Gläubiger seine Eigentumsprämie, wofür ihn der Schuldner mit Zins kompensieren muss.

Gläubiger halten kein Gut Geld in irgendeiner Kiste, auf derenInhalt sie eine Liquiditätsprämie legen, sondern schaffen im Krcditkontrakt überhaupt erst Geld als Anrecht gegen ihr Eigentum. Mit dieser Blockierung verzichten sie auf die Eigentunisprämie, gewinnen aber den Zins. Schuldner leihen sich dieses Geld, indem sie Eigentum als Sicherheit verpfänden und einen Zins zahlen müssen. Sie verlieren ebenfalls Eigentuinsprämie, gewinnen aber die Liquiditätsprämie des Geldes, das heisst sein Vermögen, Kaufund dann wieder Kreditkontrakte erfüllen zu können.

Nach der hier vertretenen Eigentumstheorie des Zinses gibt es Zins also nicht für die Aufgabe der Liquiditätsprämie auf Geld, das heisst wenn sich jemand von Geld trennt. Zins gibt es vielmehr für den Verzicht auf die Eigentumsprämie, der dann eintritt, wenn Geld als Anrecht gegen das Eigentum überhaupt erst geschaffen und das Eigentum dabei belastet und so blockiert wird. Durch den Verzicht eines Gläubigers auf seine Eigentumsprämie gelangt mithin der Schuldner für ihre Kompensation durch Zins an die Liquiditätsprämie des in diesem Gläubiger-Schuldner-Kontrakt geschaffenen Geldes. Selbstverständlich - und insofern ohne theoretische Aussagekraft - verleiht die Möglichkeit der Verwandlung dieses Geldes in Güter und Aktiva auch diesen die Eigenschaft der Liquiditätsprämie - und zwar in dem Grade, in dem sie wieder in Geld, also in Kontrakterfüllungsmittel zurückverwandelt werden können.

Mit dem Geld kann der Schuldner die Verpflichtungen aus Kauf - kontrakten erfüllen, die ihm eine Produktion erlauben, deren Realisierung durch Einweihung von Verkaufskontrakten ihm wiederum das Geld verschafft, mit dem er seine Verpflichtungen aus Kreditkontrakten erfüllt. Der Gläubiger gewinnt bei Erfüllung des Kreditkontrakts von neuem die Prämie seines Eigentums, belastbar zu sein. Er kann mithin von neuem Geld schaffen. Das ihm vom Schuldner refundierte Geld ist eliminiert und kommt in keine Kiste, in der es dann eine Liquiditätsprämie abwürfe.

Gesellschaften ohne Eigentum kennen lediglich Besitzer von Gütern, deren Nutzung durch blutsverwandtschaftliche Solidarpflichten oder feudalherrliche Fürsorgepflichten gewährleistet wird. Frei disponierbare Eigentumstitel an Gütern, die ihre Belastbarkeit und Verpfändbarkeit ermöglichen, haben sie nicht. Deshalb fehlen Eigentumsprämie, Zins und Geld.

Der Eigcntümer hat die traditionellen KolIcktivsicherungssysteme verloren, dafür jedoch durch die Exklusivität seines Eigentums das Recht auf - abgesehen vorn Missbrauch - unbegrenzte Disponierbarkeit über dasselbe gewonnen. Diese exklusive Verfügung konstituiert die Möglichkeit des Wirtschaftens mit Eigentuin, das heisst seiner Verteidigung und Vermehrung durch Belastung und Verpfändung. Das Wirtschaften mit Eigentum tritt zur Güternutzung der Besitzseite des Eigentums also hinzu. Ökonomie hat ihren Kern mithin in der Umwandlung der nur aus der Exklusivität des Eigentums erwachsenden Prämie, die bei ihrer Aufgabe durch seine Belastung im geldschaffenden Kreditkontrakt die Zinsforderung gebiert.

Da Geld - als Anrecht auf Eigentum - nur die Form ist, welche den Einsatz des Eigentums in Kreditkontrakten erlaubt, scheitert die ausschliesslich an das Kreditieren von Geld gebundene Herleitung des Zinses als monetärer Zins bei Keynes und den Monetärkeynsianern nicht anders als die an das Verleihen von Gütern geknüpfte Erklärung des Zinses als realer Zins in der Neoklassik.

Alle Erörterungen über den Zins legen grosses Gewicht auf die Binsenweisheiten des Verstreichens von Zeit und der Nichtkenntnis der Zukunft. Richtig ist, dass immer Zeit verstreicht und die Zukunft niemals bekannt ist. Aus der vagen Zukunft erfolgt jedoch keine ökonomisch folgenreiche Unsicherheit, wie die nur Besitz kennenden Gesellschaften des Stammesverbandes und der Abgabenverfassung illustrieren.

Metatheoretisch betrachtet unterläuft den herrschenden Wirtschaftslehren folgendes: Sie wissen nicht, was Eigentum ist, sondern halten bereits Besitz für Eigentum. Entsprechend verwenden sie die beiden Begriffe Eigentum und Besitz unterschiedslos für die eine Sache Besitz, woraufhin das Eigentum selbst theoretisch unausgelotet bleibt. Dieses Vorgehen rächt sich bei der Erklärung des Zinses, der nun als Derivat der entscheidenden Grösse für das Wirtschaften, der Eigentumsprämie, nicht einmal in Erwägung gezogen werden kann.

Da bisher nicht verstanden worden ist, warum es zum Wirtschaften kommt, enden alle Versuche zur Erklärung des Zinses im -Chaos der Zinstheorien,>. Die Klassiker sehen den Zins als Derivat des Profits, die Neoklassikcr als Derivat der Zeitpräferenz oder Gegenwartsvorliebe. Für Keynes ist der Zins einmal der Preis, der Annehmlichkeiten der Geldhaltung überwindet, aber auch Ausdruck für die Unsicherheit seiner zukünftigen Höhe. Die Monetärkeynesianer erklären den Zins einerseits als Kompensation für die Unsicherheit des Vermögensrückflusses, andererseits jedoch als Preis für die Verfügung über das Vermögen des Geldes, Kontrakte erfüllen zu können. Dabei werden Phänomene, die exklusiv der Eigentumswirtschaft angehören, häufig als universelle Grössen missverstanden und nicht selten auch in Stammes- und Feudalgesellschaften verortet. Damit bringen sich die Wirtschaftstheoretiker um die Möglichkeit, auch nur danach zu fragen, was die Eigentumsgesellschaft von Besitzgesellschaften strukturell unterscheidet, warum also nur erstere zur Bewirtschaftung von Ressourcen findet, während letztere über ihre Beherrschung nicht hinausgelangen.

A. Das Kapitel vom Tauschparadigma (Zusammenfassung)
B. Das Kapitel vom Eigentum (Zusammenfassung)
D. Das Kapitel vom Geld (Zusammenfassung)
E. Das Kapitel vom Markt (Zusammenfassung)
F. Das Kapitel von der Akkumulation (Zusammenfassung)
G. Das Kapitel von der Krise (Zusammenfassung)
H. Das Kapitel von der Wirtschaftsverfassung (Zusammenfassung)

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